Leitsatz
Der Sondernutzungsberechtigte hat über seinen Miteigentumsanteil hinaus in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Gemeinschaftseigentum.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 13a EStG, § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Klägers gehörte u.a. ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Mit notariellem Vertrag vom Januar 2011 teilte der Kläger dieses Grundstück in zwei Wohnungs- und Teileigentumsanteile, um ein Doppelhaus zu Wohnzwecken zu errichten.
Die Wohneinheit 1 umfasste nach der Teilungserklärung einen Miteigentumsanteil von 55 % verbunden mit dem Sondereigentum an der südlichen Hälfte des geplanten Wohnhauses. Die Wohneinheit 2 umfasste einen Miteigentumsanteil von 45 % verbunden mit dem Sondereigentum an der nördlichen Hälfte des geplanten Wohnhauses. Darüber hinaus wurde das Sondereigentum an der Wohneinheit 1 mit dem Sondernutzungsrecht an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Grundstücksfläche verbunden. Anschließend übertrug der Kläger die Wohneinheit 2 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter (T).
In seiner Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 gab der Kläger u.a. einen Gewinn aus der Entnahme von Grund und Boden betreffend das Sondereigentum an der nördlichen Hälfte des geplanten Wohnhauses i.H.v. 5.025 EUR an. Das FA legte den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre (2010 und 2011) demgegenüber einen Entnahmegewinn i.H.v. insgesamt 54.103 EUR zugrunde. Es ging dabei davon aus, dass der Kläger entsprechend dem auf T übertragenen Grundstücksanteil nicht lediglich die im Sondereigentum der T stehende, sondern 45 % der gesamten Grundstücksfläche entnommen habe. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 12.6.2015, 4 K 4110/13 E, Haufe-Index 8331372, EFG 2015, 1590).
Entscheidung
Die Revision der Kläger hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies ist durch eine eindeutige Entnahmehandlung, durch schlüssiges Verfahren oder durch einen Rechtsvorgang möglich. Eine Entnahme durch einen Rechtsvorgang liegt immer dann vor, wenn sich die Rechtszuständigkeit für das Wirtschaftsgut ändert.
2. Da Betriebsvermögen nur solche Wirtschaftsgüter sein können, die dem Betriebsinhaber als eigene zuzurechnen sind (§ 39 AO), und die Übereignung des Miteigentumsanteils auf außerbetrieblichen (familiären) Gründen beruhte, hat der Kläger das Grundstück entsprechend der Miteigentumsquote der T von 45 % seinem Betriebsvermögen entnommen. Denn er hat durch die Übertragung des Miteigentumsanteils von 45 % am Grundstück Flur 11 Flurstück 20 nicht nur das rechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum hieran verloren.
3. Wirtschaftsgütersind nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).
Wirtschaftliches Eigentum
Diese Definition des wirtschaftlichen Eigentums umfasst eine Vielzahl ungleichartiger "zivilrechtlicher Rechtslagen", die Nichteigentümern eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschaffen. Die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO erfordert deshalb nach der Rechtsprechung die Bildung von Fallgruppen und deren wertende Zuordnung. Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO wird u.a. angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.
4. Ein schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigter hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Denn er ist lediglich befugt, eine fremde Sache zu nutzen, nicht aber wie ein Eigentümer mit der Sache nach Belieben zu verfahren. So begründet auch das eigentumsähnlich ausgestaltete (veräußerliche und vererbliche) Dauerwohnrecht i.S.d. §§ 31ff. WEG oder ein vergleichbar ausgestaltetes schuldrechtliches Dauerwohnrecht grundsätzlich kein wirtschaftliches Eigentum (BFH, Urteil vom 24.6.2004, III R 42/02, BFH/NV 2005, 164; BFH, Urteil vom 29.3.2007, IX R 14/06, BFH/NV 2007, 1471, jeweils m.w.N.).
5. Entsprechendes gilt regelmäßig auch für den Sondernutzungsberechtigten. Denn er ist weder wie ein zivilrechtlicher Eigentümer zur umfassenden ...