Leitsatz
Durch die Zahlung des Gegenwerts beim Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der Versorgungsanstalt des Bunds und der Länder fließt den Arbeitnehmern kein Arbeitslohn zu.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin kündigte zum 31.12.1998 ihre Beteiligung an der VBL. Seit 1999 führt die Klägerin die betriebliche Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer im Weg einer unmittelbaren Versorgungszusage durch. Die Klägerin war zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen der VBL nach ihrem Ausscheiden zu erfüllenden Verpflichtungen zur Zahlung eines sog. Gegenwerts verpflichtet. Sie zahlte den nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneten Gegenwert in drei Teilbeträgen.
Sie versteuerte den im November 1999 gezahlten Betrag im Einvernehmen mit dem FA gem. § 40b EStG pauschal mit 20 % und meldete die entsprechenden Steuerbeträge an. Gleichzeitig erhob sie gegen die LSt-Anmeldung Einspruch, mit dem sie sich gegen die Behandlung der Gegenwertzahlung als Arbeitslohn wandte. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte in vollem Umfang Erfolg. Die Gegenwertzahlung stelle keinen Arbeitslohn dar. Sie sei auch keine "letzte (zusammengeballte) Umlagezahlung"; denn die Gegenwertzahlung berühre die Anwartschaften der Arbeitnehmer überhaupt nicht. Im Übrigen fehle es an einem Veranlassungszusammenhang mit den individuellen Arbeitsverhältnissen der aktiven Arbeitnehmer.
Hinweis
1. Die auch diesem Streitfall zugrunde liegende Problemstellung wurde bereits ausführlich in den beiden Urteilen des VI. Senats jeweils vom 14.9.2005, VI R 32/04, BFH-PR 2006, 17 (zur Schließung des Umlagesystems) und VI R 148/98, BFH-PR 2006, 19 (zum Wechsel zu einer anderen, gleichfalls umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse) besprochen. Hierauf wird ausdrücklich Bezug genommen.
2. In der Besprechungsentscheidung hat der BFH (nochmals) klargestellt, dass Gegenwertzahlungen, die ein Arbeitgeber beim Ausscheiden aus einer Versorgungsanstalt (hier: Versorgungsanstalt des Bunds und der Länder – VBL –) zahlen muss, weder geldwerte Vorteile bei den Arbeitnehmern darstellen noch solche Zahlungen als Gegenleistungen für die individuellen Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer zu beurteilen sind.
3. Sichert der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung aus eigenen Mitteln zu, obliegt ihm allein deren Finanzierung und Sicherung. Er hat für die Erfüllung der von ihnen zugesagten Leistungen auch dann zu sorgen, wenn die Durchführung der Leistung durch einen Dritten (hier: VBL) erfolgt. Daraus folgt auch, dass der Arbeitgeber, der die Versorgungsanwartschaften seiner Arbeitnehmer über Umlagen finanziert hat, für die finanziellen Folgen einstehen muss, die mit dem Ausscheiden aus einer Versorgungseinrichtung bzw. dem Ausstieg aus einer umlagefinanzierten Pensionskasse verbunden sind. Die Gegenwertzahlung gleicht ausschließlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus, die er gegenüber der VBL eingegangen ist. Die Zahlung wird "für" den Austritt des Arbeitgebers aus der VBL und nicht"für" die Arbeitsleistung der aktiven Arbeitnehmer geleistet.
4. Das BMF war (auch) diesem Revisionsverfahren beigetreten (vgl. § 122 Abs. 2 FGO); dies erhellt die Bedeutung dieser Entscheidung für die Arbeitgeber (des öffentlichen Diensts) bzw. die Finanzverwaltung.
Das BMF vertrat u.a. die Auffassung, Gegenwertzahlungen seien als Arbeitslohn zu behandeln. Dies folge auch aus § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG i.d.F. des AltEinkG. Diese Regelung sieht vor, dass Zuwendungen für Versorgungsverpflichtungen und Versorgungsanwartschaften, die ein Arbeitgeber anlässlich seines Ausscheidens aus einer Pensionskasse zu zahlen hat (sog. Gegenwertzahlungen), der LSt-Pauschalierung unterworfen werden können. § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG komme nur deklaratorische Bedeutung zu; denn sie setze voraus, dass eine Gegenwertzahlung Arbeitslohn darstelle. Der Gesetzgeber sei bei Einführung dieser Vorschrift davon ausgegangen, dass Zuwendungen des Arbeitgebers, die anlässlich seines Ausscheidens aus einer Pensionskasse an diese geleistet würden, wie laufende Umlagezahlungen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehörten.
5. Diese Argumentation hat der BFH mit überzeugenden Gründen abgelehnt. Zum Einen ist § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG i.d.F. des AltEinkG erst am 1.1.2005 in Kraft getreten. Zum Anderen stellt diese Regelung keine bloße Klarstellung eines auch für frühere Jahre maßgeblichen Rechtszustands dar. Denn das Erfordernis des Vorliegens von Arbeitslohn, also die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG, ist nicht erfüllt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.2.2006, VI R 92/04