Leitsatz
* Wird in einem Haftungsbescheid der in einem früher ergangenen Haftungsbescheid festgesetzte Haftungsbetrag ermäßigt, weil die Steuerschuld niedriger festgesetzt worden ist, so liegt darin in der Regel eine bloße Teilrücknahme des ersten Haftungsbescheids, welche dessen Bestandskraft unberührt lässt.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 69 AO , § 130 Abs. 1 AO , § 131 AO
Sachverhalt
Ein Umsatzsteuerhaftungsbescheid war ergangen und bestandskräftig geworden. Später mussten die Steuerfestsetzungen, die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde lagen, geändert werden. Infolgedessen änderte das FA auch den Haftungsbescheid dahin, dass es die Haftungssumme herabsetze. Der Haftungsschuldner wandte sich nunmehr an das FG und begehrte AdV des geänderten Haftungsbescheids.
Entscheidung
Der Antrag ist unzulässig. Wird durch einen Bescheid lediglich der in einem anderen Haftungsbescheid festgesetzte Haftungsbetrag nach unten korrigiert, liegt darin eine teilweise Rücknahme des betreffenden Haftungsbescheids gem. § 130 Abs. 1 AO. Das gilt auch dann, wenn das FA nicht das Wort Teilrücknahme gebraucht oder sogar eine unzutreffende Rechtsgrundlage (z.B. § 131 AO) benennt. Gegen den hiervon nicht betroffenen, aufrechterhaltenen Teil des Haftungsbescheids kann sich der Haftungsschuldner nicht mit Aussicht auf Erfolg wenden. Denn insoweit sieht der BFH in dem zweiten Bescheid lediglich eine wiederholende Verfügung. Der Haftungsschuldner müsse seiner Klage gegen diese Verfügung die Bestandskraft des ersten Haftungsbescheids entgegenhalten lassen, ja es fehle "mangels eigenständiger Beschwer am Rechtsschutzbedürfnis".
Hinweis
1. Im AdV-Verfahren entscheidet der BFH auf Beschwerde nur dann zur Sache, wenn das FG die Beschwerde zugelassen hat. Maßstab für diese Entscheidung ist § 115 Abs. 2 FGO; dabei sind allerdings nicht nur die – im AdV-Verfahren endgültig zu entscheidenden – verfahrensrechtlichen Fragen relevant, sondern auch wegen der nur "überschlägig" zu beurteilenden materiell-rechtlichen Fragen (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts?) kommt eine Beschwerdezulassung in Betracht.
2. Es gibt keine Nichtzulassungsbeschwerde.
3. Die Haftung ist der Steuerschuld in dem Sinne akzessorisch, dass der Haftungsschuldner nur auf das in Anspruch genommen werden darf, was der von ihm Vertretene dem FA schuldig geblieben ist. Erkennt das FA nach Erlass eines Haftungsbescheides, dass es die vermeintliche Steuerschuld zu hoch angenommen hat, muss es folglich den Haftungsbescheid gemäß § 130 Abs. 1 AO zurücknehmen. Hingegen machen Zahlungen auf die Steuerschuld nach Abschluss des Haftungs-(Verwaltungs)Verfahrens den Haftungsbescheid nicht rechtswidrig, wenn sie auch wegen der zwischen Haftungs- und Steuerschuldner bestehenden Gesamtschuldnerschaft zum Erlöschen der Haftungsschuld führen.
4. Ein Haftungsbescheid kann ergehen, auch wenn die Steuer gegen den Vertretenen noch gar nicht festgesetzt worden ist; die Steuerberechnung erfolgt dann im Haftungsverfahren. Ist die Steuer allerdings bestandskräftig festgesetzt worden, muss der Haftungsschuldner diese Festsetzung unter Umständen nach Maßgabe des § 166 AO gegen sich gelten lassen, wenn er sie – unter Ausnutzung der vollen Rechtsbehelfsfrist – hätte aufgrund seiner Rechtsbeziehung zum Steuerschuldner anfechten können.
5. Unterscheiden Sie von einer teilweisen Rücknahme eines Haftungsbescheids dessen Ersetzung durch einen neuen Haftungsbescheid. Ersteres wird insbesondere bei einer Reduzierung des Haftungsbetrags wegen Verminderung des Steuerbetrags, Letzteres z.B. dann anzunehmen sein, wenn der ursprüngliche Bescheid wegen ihm anhaftender Ermessensfehler durch einen neuen Bescheid ersetzt wird, in dem das Ermessen (§ 191 AO) gänzlich neu – wenn auch mit gleichem oder ähnlichem Entscheidungsergebnis – ausgeübt wird.
Diese Abgrenzung zwischen Rücknahme des ersten Haftungsbescheides und Ersetzung durch einen neuen einerseits und Aufrechterhaltung desselben (ggf. – bei betragsmäßiger Reduzierung – unter Teilrücknahme) andererseits wird dann schwierig, wenn in dem zweiten Bescheid bei gleichem haftungsbegründenden Sachverhalt andere Ermessenserwägungen angestellt werden; ferner auch dann, wenn eine gleichsam völlig selbständige Berechnung der die Haftung auslösenden Steuerschulden aufgemacht wird. In einem solchen Fall hat BFHE 141, 470 (BStBl II 1984, 791) nicht eine bloße Teilrücknahme (ggf. verbunden mit einer teilweisen neuen Haftungsinanspruchnahme) bei Aufrechterhaltung des Erstbescheides im Übrigen – angenommen, sondern einen gänzlich neuen Haftungsbescheid.
6. Es kommt dabei immer auf den materiellen Gehalt des Bescheids, nicht etwa auf seine Überschrift oder die Qualifizierung an, die das FA seiner Entscheidung selbst angedeihen lässt. 7. § 351 Abs. 1 AO, wonach Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angefochten werden können, als die Änderung reicht, spielt von vornherein keine Rolle, wenn eine Teilrücknahme vorliegt; ...