Leitsatz
Soweit der II. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 22.5.2002, II R 61/99 (BStBl II 2002, 598) § 19 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des JStG 1997 i.V.m. weiteren Vorschriften des ErbStG und BewG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig hält, kommt eine Aussetzung der Vollziehung der auf diesen Vorschriften beruhenden Steuerbescheide nicht in Betracht.
Normenkette
Art. 3 Abs. 1 GG , § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO , § 9 BewG , § 12 BewG , § 19 Abs. 1 ErbStG
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist Alleinerbin ihrer 1999 verstorbenen Schwester. Diese hatte noch zu Lebzeiten für 92 000 DM eine Eigentumswohnung gekauft. Die Auflassung war bereits erklärt, eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen, das Eigentum aber noch nicht auf die Schwester umgeschrieben worden. Das FA besteuerte bezüglich dieses Sachverhalts einen Sachleistungsanspruch, den es mit dem Kaufpreis bewertete.
Die Antragstellerin verlangte dagegen, das Anwartschaftsrecht als Erwerbsgegenstand anzunehmen und dieses mit dem Grundbesitzwert zu bewerten. In Höhe der sich daraus ergebenden geringeren Erbschaftsteuer beantragte sie die AdV. Das FG lehnte wie zuvor das FA eine AdV ab, ließ aber die Beschwerde zu.
Entscheidung
Der BFH wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Das FG habe zutreffend nicht das Anwartschaftsrecht, sondern den Sachleistungsanspruch als Erwerbsgegenstand angesehen und diesen nach der Gesetzeslage auch zutreffend bewertet. Der angefochtene Bescheid sei nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss vom 22.5.2002, II R 61/99 in seiner Vollziehung auszusetzen.
Der Senat könne im Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz keine weitergehende Entscheidung treffen, als vom BVerfG zu erwarten sei. Das BVerfG habe aber in vergleichbaren Fällen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht die Nichtigkeit des Gesetzes, sondern lediglich dessen Unvereinbarkeit mit der Verfassung ausgesprochen und es für die Vergangenheit bei seiner weiteren Anwendbarkeit belassen. Danach erscheine es nahezu ausgeschlossen, dass das BVerfG auf den Vorlagebeschluss des Senats das ErbStG mit Wirkung für das Streitjahr (1999) für nichtig oder unanwendbar erklärt, auch wenn es sich bei der Erbschaftsteuer nicht um eine laufend zu veranlagende Steuer handelt.
Hinweis
Der Beschluss berücksichtigt die Tenorierungsgepflogenheiten des BVerfG. Werden Normen für unvereinbar mit dem GG erklärt, hat dies grundsätzlich für Gerichte und Verwaltung zur Folge, dass sie nicht mehr angewendet werden dürfen. Für den Gesetzgeber ergibt sich die Verpflichtung, eine der Verfassung entsprechende Rechtslage für den gesamten, von der Unvereinbarkeitserklärung betroffenen Zeitraum, mit Wirkung zumindest für alle noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen herzustellen, die auf der für verfassungswidrig erklärten Regelung beruhen.
Diese Rechtsfolgen einer Unvereinbarkeitserklärung können aber zu einem Zustand führen, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist, als der bisherige. Das hat das BVerfG veranlasst, die Unvereinbarkeitserklärung vielfach mit der Anordnung einer befristeten weiteren Anwendbarkeit der verfassungswidrigen Normen zu verbinden. Damit wirkt sich die Unvereinbarkeitserklärung nur für die Zukunft aus (vgl. BFH, Urteil vom 24.5.2000, II R 25/99, BStBl II 2000, 378, mit weiteren Nachweisen).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 17.7.2003, II B 20/03