Leitsatz
Software ist ein immaterielles Wirtschaftsgut. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um Standardsoftware handelt, die auf einem Datenträger gespeichert ist.
Normenkette
§ 7g Abs. 1 und 3 EStG 2002
Sachverhalt
Der Kläger war als Systementwickler und Systeminstallateur gewerblich tätig. Er bildete eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. Davon entfiel ein Teilbetrag auf den beabsichtigten Erwerb von Systemsoftware. Das FA war der Auffassung, bei Systemsoftware handle es sich – ungeachtet ihrer Handelsüblichkeit – um ein immaterielles Wirtschaftsgut, für das eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG nicht gebildet werden könne. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG sah die Softwareprogramme als materielle Wirtschaftsgüter an. Datenträgergebundene Standardprogramme seien unabhängig davon, ob es sich um Anwender- oder Systemsoftware handele, materielle bewegliche Wirtschaftsgüter (FG Köln, Urteil vom 17.02.2009, 1 K 1171/06, Haufe-Index 2198580, EFG 2009, 1540).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Der BFH hob aus den unter Praxis-Hinweisen stehenden Gründen das Urteil auf und wies die Klage ab.
Hinweis
Dieses Urteil des BFH ist zwar zur Ansparabschreibung des § 7g EStG a.F. ergangen; dürfte aber ebenfalls für den Investitionsabzugsbetrag des § 7g EStG n.F. gelten.
1. Nach § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG a.F. konnten Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung von neuen beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine Ansparabschreibung bilden. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung waren das nur materielle Wirtschaftsgüter, sodass wegen der künftigen Anschaffung immaterieller Wirtschaftsgüter keine Ansparabschreibung vorgenommen werden konnte.
2. Bei einheitlichen Wirtschaftsgütern, die sich aus materiellen und immateriellen Komponenten zusammensetzen, entscheidet die im Vordergrund stehende wirtschaftliche Bedeutung über die Qualifikation. Entscheidend ist, ob es dem Erwerber überwiegend auf den materiellen oder den immateriellen Gehalt ankommt, d.h. ob der Verkörperung eine eigenständige Bedeutung zukommt.
3. Computerprogramme sind grundsätzlich auch dann, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert und demnach aus materiellen und immateriellen Elementen zusammengesetzt sind, immaterielle Wirtschaftsgüter. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung selbstständige Software aller Kategorien grundsätzlich als immaterielles Wirtschaftsgut behandelt.
4. Der X. Senat hält an dieser Auffassung fest, auch wenn es den Anschein haben konnte, dass in einigen Entscheidungen des BGH und auch des BFH die Körperlichkeit der Standardsoftware eine größere Bedeutung erlangt hat. So z.B. bei der Anwendbarkeit der Sachmängelhaftung, des Abzahlungsgesetzes oder bei der Auslegung des Begriffs der Ware i.S.d. § 2a Abs. 2 EStG.
5. Bei der Beurteilung der Frage, ob der materielle oder immaterielle Gehalt des angeschafften oder anzuschaffenden Wirtschaftsguts überwiegt, kommt es darauf an, auf welches Wirtschaftsgut sich der Anschaffungsvorgang bezieht. Die spätere Einsatz- oder Nutzungsmöglichkeit ist demgegenüber irrelevant. Ist die Anschaffung auf Software gerichtet, beschränkt sich der materielle Gehalt des zu erwerbenden Wirtschaftsguts auf den Datenträger. Der Datenträger dient dann lediglich dazu, die Software zu transportieren und auf einen Computer zu übertragen. Eine weitere Funktion oder einen nennenswerten wirtschaftlichen Wert besitzt er nicht.
6. Die in der Rechtsprechung vorgenommene Qualifikation der Software als immaterielles Wirtschaftsgut gilt auch dann, wenn es sich um Standardsoftware handelt, die in unveränderter Weise vervielfältigt und ohne Anpassung an etwaige individuelle Bedürfnisse des Anwenders vertrieben wird. Die Vervielfachung und Verbreitung und deren Häufigkeit führt bei Software eben nicht dazu, dass die Bedeutung der Verkörperung auf einem Datenträger den in der Software liegenden geistigen Gehalt überwiegt.
7. Offen gelassen hat der BFH, ob er im Interesse der Vereinfachung und Typisierung der Auffassung der Finanzverwaltung folgen könnte, dass Trivialprogramme bewegliche (also materielle) Wirtschaftsgüter sind und Computerprogramme mit Anschaffungskosten von weniger als 800 DM bzw. 410 EUR stets als Trivialprogramme gelten (vgl. R 5.5 Abs. 1 EStR 2008).
Beachte: Die in diesem Urteil vorgenommene Qualifikation der Software als immaterielles Wirtschaftsgut ist zwar im Rahmen des § 7g EStG für den Steuerpflichtigen negativ. Sie hat aber auch ihre gute Seite: So ist selbst geschaffene Software nach § 5 Abs. 2 EStG nicht zu aktivieren und entsprechende Aufwendungen sind sofort abzugsfähig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.05.2011 – X R 26/09