Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Eine einkommensteuerrechtliche Begünstigung durch das StraBEG wird nur denjenigen Steuerpflichtigen zuteil, die unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 StraBEG fallen.
2. Eine Erstreckung der Begünstigungen, insbesondere des Steuersatzes von 25 %, auf die ordnungsgemäß erklärten Einkünfte anderer Steuerpflichtiger ist ausgeschlossen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 StraBEG, § 18, § 32a EStG, Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG
Sachverhalt
Ein Rechtsanwalt, der seine Einkünfte ordnungsgemäß erklärt hatte, verlangte, auch ihm die Steuervergünstigungen des StraBEG zu gewähren. Das FG wies seine Klage ab (FG Köln, Urteil vom 19.03.2008, 14 K 5045/04, Haufe-Index 2006666, EFG 2008, 1238).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers aus den vorstehenden Gründen zurück.
Hinweis
1. Die Steueramnestie und Steuervergünstigung, die das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung – StraBEG – vorsieht, ist geeignet, das Rechtsbewusstsein der steuerehrlichen Bürger zutiefst zu irritieren. Der Steuerhinterzieher erlangt nicht nur Straffreiheit, sondern er darf zusätzlich einen Teil der durch seine Straftat erlangten Beute behalten.
2. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn ehrliche Steuerpflichtige ihrer Irritation dadurch Ausdruck verleihen, dass sie vor Gericht das Ziel verfolgen, die gleichen Steuerprivilegien wie ein Steuerhinterzieher in Anspruch nehmen zu dürfen.
3. Der dem StraBEG zugrunde liegende Gesetzeszweck kommt auf den ersten Blick einer Kapitulation des Rechtsstaats gefährlich nahe. Der Rechtsstaat hebt – bildlich gesprochen – die Hände und räumt ein, dass der verfassungsrechtlich gebotene gleichmäßige Gesetzesvollzug – insbesondere für Auslandssachverhalte – nicht zu leisten ist. Um wenigstens einen Teil der hinterzogenen (und andernfalls endgültig verlorenen) Steuern zu "retten", sieht das StraBEG einen Deal mit dem Steuerhinterzieher vor, mit dem der Fiskus auf einen Teil des gesetzlich an sich geschuldeten Steuerbetrags verzichtet.
4. Dieser Gesetzeszweck liefert andererseits einen Rechtfertigungsansatz dafür, das StraBEG als (noch) verfassungsgemäß zu beurteilen. Denn wenn im Nachhinein wenigstens ein Teil der hinterzogenen Steuern noch erhoben werden kann, kommt es letztlich zu einem verfassungsrechtlich erträglicheren Ergebnis, als wenn gar nichts unternommen worden wäre.
5. Vor diesem Hintergrund haben ehrliche Steuerpflichtige, die aus verfassungsrechtlichen Gründen die Privilegien des StraBEG für sich einfordern, einen schweren Stand.
a) |
Da der Wortlaut und der Gesetzeszweck des StraBEG eindeutig sind, ist eine verfassungskonforme Auslegung im Sinn einer Erstreckung des Anwendungsbereichs auf alle Steuerpflichtigen ausgeschlossen. Andernfalls würde die alleinige Verwerfungskompetenz des BVerfG unterlaufen. |
b) |
Auch eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht.
aa) |
Eine Anrufung des BVerfG würde voraussetzen, dass das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen des StraBEGüberzeugt ist. Verfassungsrechtliche Zweifel, Skrupel oder die Erkenntnis, dass ehrliche Steuerzahler sich durch das StraBEG zutiefst düpiert fühlen müssen, reichen dafür nicht aus. Die Überzeugung, dass das StraBEG (i.V.m. den Vorschriften des EStG) tatsächlich gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, vermochte sich der BFH indes nicht zu bilden, dies insbesondere vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks, einen Teil der hinterzogenen Steuern doch noch zu erheben und damit dem Ziel einer gleichmäßigen Belastung wenigstens teilweise näherzukommen. |
bb) |
Im Übrigen setzt eine Vorlage an das BVerfG voraus, dass die Vorlagefrage im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Fehlt es daran, so wäre eine Vorlage unzulässig. Der BFH würde sich, wenn er gleichwohl das BVerfG anriefe, dort eine "Watschn" abholen. |
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Entscheidungserheblich wäre die Frage der Verfassungswidrigkeit des StraBEG indessen nur dann, wenn ernsthaft damit zu rechnen wäre, dass der Gesetzgeber zur Behebung einer etwa vom BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit des StraBEG die darin geregelten Steuervergünstigungen auf alle Steuerpflichtigen erstrecken würde. Nur dann könnte der Kläger des Ausgangsverfahrens von der Gesetzesreparatur profitieren. Das erscheint indes schlechthin ausgeschlossen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.08.2010 – VIII R 11/08