Leitsatz
1. Eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 S. 1 AO erfordert, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen selbst dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht, wenn die Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg erbracht wird. Neben der zeitlichen Komponente müssen zusätzliche Umstände auf eine auch örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 14.07.2004, I R 106/03, BFH/NV 2005, 154).
Normenkette
§ 12 S. 1 AO
Sachverhalt
Eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (BV) beschäftigte sich mit der Reinigung von Gebäuden, Maschinen und Anlagen.
In Deutschland führte die BV über Jahre hinweg auf einem NATO-Flughafen Reinigungsarbeiten an militärisch genutzten Flugzeugen durch. Sie war dabei als Subunternehmerin eines italienischen Unternehmens tätig, das der Hauptauftragnehmer der NATO für Reinigungsarbeiten auf dem Flughafen war.
Die Mitarbeiter der BV besaßen Sicherheitsausweise, mit denen sie – nach Durchführung einer Sicherheitskontrolle durch das Flughafenpersonal – Zutritt zu den Sicherheitsbereichen des Flughafengeländes hatten. Sie waren befugt, Reinigungsarbeiten in bestimmten Sicherheitszonen auszuüben. Es waren keine Räumlichkeiten auf dem Flughafengelände an die BV vermietet. Die NATO stellte jedoch dem Reinigungspersonal einen Aufenthaltsraum mit Kücheneinrichtung, verschließbaren Schränken und Duschvorrichtungen zur Verfügung, der als Umkleide- und Pausenraum, aber auch für einen Bereitschaftsdienst genutzt wurde. Für diesen Gebäudeteil erhielt jeder Mitarbeiter der BV einen Schlüssel, mit dem er sich während der Bereitschaftsdienstzeit von 6.00 Uhr bis 23.00 Uhr Zugang zu den Räumlichkeiten verschaffen konnte.
Die Reinigungsarbeiten an den Flugzeugen wurden in einer hierfür vorgesehenen Reinigungshalle auf dem Flughafengelände vorgenommen, zu der die Mitarbeiter der BV ebenfalls Zutritt hatten. Die für die Reinigung der Flugzeuge erforderlichen Fahrzeuge, Reinigungsmaschinen und Putzmittel stellte die NATO zur Verfügung. Auch zu den Lagerräumen, in denen sich diese befanden, hatten die Mitarbeiter der BV Schlüssel. Die Klägerin unterhielt kein Büro auf dem Flughafengelände. In dem Aufenthaltsraum befand sich nur ein Telefon- und Faxanschluss, der von den Mitarbeitern bei Bedarf genutzt werden konnte.
Das FA nahm an, die BV habe in Deutschland eine inländische Betriebsstätte unterhalten. Sie sei mit den auf diese Betriebsstätte entfallenden Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1990 beschränkt steuerpflichtig gewesen.
Die dagegen gerichtete Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Auch das FG nahm die Existenz einer Betriebsstätte an. Jedoch dürfe das zu versteuernde Einkommen aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht den gesetzlich vorgesehenen Steuersätzen, sondern nur Steuersätzen von 43,21 % (1990 und 1991) und 40,01 % (1992 und 1993) unterworfen werden (FG Köln, Urteil vom 24.01.2007, 13 K 336/07, Haufe-Index 1748376, EFG 2007, 1349).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt:
Es fehle an der notwendigen Verfügungsmacht der BV über die Räumlichkeiten, in denen die Reinigungskräfte tätig würden. Folglich werde eine beschränkte Steuerpflicht im Inland nicht begründet.
Der BFH konnte damit die zweite Streitfrage, jene nach der Höhe des anzuwendenden Steuersatzes, offen lassen. Dazu sei zuletzt auf den BFH-Beschluss vom 05.03.2008, I B 171/07 (BFH/PR 2008, 309) hingewiesen.
Hinweis
1. Durch Urteil vom 14.07.2004, I R 106/03 (BFH/NV 2005, 154) hatte der BFH über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Eine US-Kapitalgesellschaft benutzte Räume der US-Armee. Diese waren ihr von der US-Armee zur Verfügung gestellt worden, um so ihren vertraglichen Verpflichtungen gerecht werden zu können. Da die Räume auf einem Kasernengelände lagen, konnten sie nur nach Überprüfung und Erhalt einer Berechtigungskarte betreten werden. Schlüssel für die benutzten Räume waren den Mitarbeitern der US-Kapitalgesellschaft ausgehändigt worden. Auf Verlangen konnte die US-Armee Zugang zu den fraglichen Räumen verlangen.
Der BFH vertrat seinerzeit die Auffassung, die US-Kapitalgesellschaft habe über die betreffenden Räume eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht gehabt. Die Räume seien für die vertraglich geschuldete Tätigkeit erforderlich und andernfalls wären die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der US-Armee nicht erfüllbar gewesen. Deshalb hätte die Verfügungsmacht nicht ohne Weiteres verändert werden können. Ausreichend sollte sein, dass der US-Kapitalgesellschaft von der US-Armee auf dem Kasernengelände während der Vertragsdauer geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen waren. Die Verfügungsmacht sei durch die aus militärischen Gründen notwendigen Zugangskontrollen nicht beschränkt gewesen. Entsc...