Leitsatz
Die Bebauung ursprünglich land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke mit Einfamilienhäusern und deren anschließende Vermietung an betriebsfremde Personen führt grundsätzlich nicht zu einer Entnahme, wenn die Nutzungsänderung nur eine Fläche erfasst, die im Vergleich zur Gesamtfläche des Betriebs von geringer Bedeutung ist.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG , § 13 EStG
Sachverhalt
Ein Landwirt hatte die aktive Bewirtschaftung seines ca. 5 ha großen Betriebs beendet. Die Nutzflächen hatte er seinen Töchtern verpachtet, die Wirtschaftsgebäude an Nichtlandwirte vermietet, nur einen kleinen Teil seiner ehemaligen Betriebsfläche behielt der Landwirt zurück. Eine Aufgabeerklärung gab er aber nicht ab und ermittelte seinen Gewinn weiter durch Betriebsvermögensvergleich. Aus früheren Grundstücksverkäufen hatte er eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet.
Zur Vermeidung einer erfolgswirksamen Auflösung der Rücklage errichtete er auf Grundstücken mit einer Gesamtfläche von ca. 1400 m² fünf Einfamilienhäuser, die als Betriebsvermögen behandelt wurden und auf deren Herstellungskosten er die Rücklage übertrug.
Das FA meinte, die neu errichteten Häuser seien notwendiges Privatvermögen, und löste die Rücklage Gewinn erhöhend auf. Dem stimmte auch das FG zu.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des Landwirts statt. Der Betrieb sei durch die parzellenweise Verpachtung nicht aufgegeben worden; die Zurückbehaltung weniger Grundstücke stehe dem nicht entgegen. Die Bebauung der danach weiter zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke sei eine Nutzungsänderung, die nicht zu einer Entnahme zwinge. Die Grundstücke könnten weiter zum Betriebsvermögen gehören, weil sie weniger als 10 % der Gesamtfläche ausmachten.
Hinweis
1. Bei Landwirten hat der BFH schon bislang eine vermögensverwaltende Nutzung von zuvor landwirtschaftlich genutzten Grundstücken für unschädlich gehalten, wenn die betreffende Fläche nicht mehr als 10 % der Gesamtfläche ausmacht. Dies gilt insbesondere bei der Bestellung von Erbbaurechten, aber auch – wie der BFH hier entscheidet – bei Bebauung und Vermietung durch den Landwirt selbst. Beide Fälle treten auf, wenn bisher betrieblich genutzte Flächen zu Bauland werden. Veräußert der Landwirt Baulandflächen, hat er in der Regel ein Interesse daran, die Besteuerung des Gewinns durch Übertragung nach § 6b bzw. § 6c EStG zunächst zu vermeiden. Wenn er nicht entsprechende Investitionen an Wirtschaftsgebäuden vornimmt, muss er nach anderen Investitionsmöglichkeiten Ausschau halten.
Die Errichtung von vermieteten Wohnungen ist ein geeignetes Mittel, wenn diese Betriebsvermögen sein können. Das hat die Rechtsprechung im Grundsatz schon länger bejaht, wenn die Gebäude auf bisherigen Betriebsflächen errichtet werden. Der Hinzuerwerb von Bauland zu einem solchen Zweck ist jedoch nicht möglich, weil mangels spezifischen Zusammenhangs mit der Land- und Forstwirtschaft gewillkürtes Betriebsvermögen insoweit auch von bilanzierenden Landwirten nicht gebildet werden darf.
2. Der Besprechungsfall zeigt, wie weit die Rechtsprechung zum Verpächterwahlrecht bereits ausgeufert ist. Wer seinen bisher aktiv unterhaltenen Betrieb im Ganzen verpachtet, muss bekanntlich nach jahrzehntelanger Rechtsprechung die stillen Reserven nicht zwangsweise versteuern. Wenn er nicht ausdrücklich die Betriebsaufgabe erklärt, bleibt sein Betrieb als ruhender Betrieb bestehen.
Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sind die Anforderungen an eine Betriebsverpachtung im Ganzen sehr gering, denn auch die Verpachtung von Teilparzellen an verschiedene Pächter und die Vermietung der Betriebsgebäude an Gewerbetreibende sind unschädlich, solange rein theoretisch nach Ablauf der Pacht- und Mietverträge ein landwirtschaftlicher Betrieb weitergeführt werden könnte. Obwohl die Betriebsflächen wesentliche Betriebsgrundlage für den Landwirt sind, schadet nach dem Besprechungsurteil nicht einmal eine Zurückbehaltung von bis zu 10 % der Grundstücke, um sie mit Wohnhäusern zu bebauen. Von einer Betriebsverpachtung "im Ganzen" hat sich der BFH danach schon weit entfernt.
Dies ist allerdings grundsätzlich ganz im Interesse des Landwirts, der seine stillen Reserven nicht zwangsweise und ohne Erhalt liquider Mittel versteuern möchte. Die Interessenlage kehrt sich lediglich dann um, wenn später Grundstücke veräußert werden und das FA die betreffenden Gewinne besteuern möchte. In einer solchen Situation wäre dem Landwirt die Annahme einer Betriebsaufgabe im Zeitpunkt der Verpachtung jedenfalls dann angenehm, wenn für das betreffende Jahr die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Argumentation lässt die Rechtsprechung aber nicht zu.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.8.2002, IV R 57/00