Leitsatz
Die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung eines Pkws durch einen außergewöhnlich gehbehinderten Steuerpflichtigen können abweichend von den im Regelfall anzuwendenden Pauschsätzen (im Streitjahr 1994 0,52 DM/km) nur in krassen Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden. Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil die jährliche Fahrleistung (im Streitfall 6960 km) weniger als die Hälfte der den Pauschsätzen zugrunde liegenden Jahresfahrleistung von 15 000 km beträgt oder ein mit einer Automatik ausgestatteter üblicher Mittelklassewagen benutzt wird (Ergänzung des BFH-Urteils vom 26.3.1997, III R 71/96, BStBl II 1997, 538).
Normenkette
§ 33 Abs. 1 EStG , § 33b EStG
Sachverhalt
Der 1915 geborene verheiratete Kläger ist zu 100 % schwerbehindert und besitzt einen Behindertenausweis mit dem Merkmal "a.G.". Im Streitjahr 1994 machte er in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Kfz-Kosten in Höhe von 11 408 DM für eine Jahresfahrleistung von 6 960 km als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend. Der Kläger fährt einen am 1.3.1994 erworbenen Passat GL 2,0 Automatic. Bei der Berechnung der Kosten unterstellte er eine fünfjährige Nutzungsdauer.
Das FA berücksichtigte die Aufwendungen nur mit 0,52 DM/km, abzüglich der zumutbaren Belastung von 5 %. Daneben gewährte es den Behinderten-Pauschbetrag gem. § 33b EStG in Höhe von 3 870 DM.
Das FG gab der Klage, mit welcher der Kläger den vollen Abzug der im Einzelnen nachgewiesenen Kfz-Kosten in Höhe von 11 408 DM begehrte, statt. Die Revision führte zur Klagabweisung.
Entscheidung
Der BFH war der Auffassung, eine Fahrleistung von 6 960 km sei nicht so außergewöhnlich, dass sie den Ansatz eines höheren Kilometersatzes als 0,52 DM je gefahrenen Kilometer rechtfertige. Eine Studie für die Jahre 1987/88 habe ergeben, dass 37 % aller Pkws unter 10 000 km führen, so dass eine derartige Jahresfahrleitung keinesfalls ungewöhnlich sei, zumal, in dieser Studie, nicht nur Privatfahrten, sondern auch beruflich veranlasste Fahrten enthalten seien.
Ferner beträfen außergewöhnliche Belastungen ihrer Natur nach Aufwendungen der privaten Lebensführung. Bei derartigen Aufwendungen bestehe in besonderem Maß die Gefahr ungerechtfertigter, mit der Steuergerechtigkeit nicht zu vereinbarender Vorteile. Andere Steuerpflichtige müssten diese Aufwendungen aus ihrem versteuerten Einkommen aufbringen.
Hinweis
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können schwer Körperbehinderte mit einer erheblichen Geh- und Stehbehinderung grundsätzlich alle Privatfahrten als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Die Pkw-Kosten sind neben dem Körperbehinderten-Pauschbetrag zu berücksichtigen.
Anzuerkennen sind diese Kosten aber nur, soweit sie im Rahmen des Angemessenen liegen. Als angemessen gilt eine Fahrtleistung bis 15 000 km/jährlich und Kosten je Kilometer in Höhe der in den EStR bestimmten Pauschsätze, neuerdings 0,58 DM/km, zuvor 0,52 DM/km. Diese Pauschsätze sind eine Schätzung, die auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellt. Sie sind nur dann nicht anzuwenden, wenn sie zu einem offensichtlich willkürlichen Ergebnis führen.
Der BFH hat in diesem Urteil ausgeführt, eine jährliche Fahrleistung von rund 6 900 km rechtfertige keine Abweichung von den Pauschsätzen. Auch wenn der BFH formal daran festhält, dass die Pauschsätze dann nicht anzuwenden seien, wenn sie zu einem offenkundig unzutreffenden Ergebnis führen, sind wohl kaum Fälle denkbar, in denen der BFH höhere Kosten als die Pauschsätze zubilligen dürfte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.12.2001, III R 40/99