Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Gibt ein Beschenkter das erworbene Vermögen ohne eigene Entscheidungsfreiheit an einen Dritten heraus, so liegt eine direkte Zuwendung des Zuwendenden an den Dritten vor.
Sachverhalt
Bei einer Schenkung (oder einem Erwerb von Todes wegen) werden persönliche Freibeträge nach § 16 ErbStG gewährt. Allerdings kann dieser Freibetrag innerhalb von zehn Jahren nur einmalig angewendet werden, da mehrere Erwerbe innerhalb von zehn Jahren zusammen zu rechnen sind, § 14 ErbStG. Da die Höhe der Freibeträge von der verwandtschaftlichen Stellung abhängt, kann sich die Einschaltung von nahe verwandten Personen in eine Schenkungskette steuermindernd auswirken.
Im Streitfall übertrug die Großmutter (G) ihrer Tochter (T) Grundvermögen. Mit notariellem Vertrag vom gleichen Tage übertrug die T ihrer Tochter, der Enkelin (E) der G, das Grundstück, Im Gegenzug zahlte die E an die T - und einen weiteren Verwandten - zur Abgeltung aller erbrechtlicher Ansprüche einen Ausgleich und übernahm sämtliche Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der G. Die G stimmte diesen Regelungen ausdrücklich zu. Die Klägerin nahm einerseits eine Schenkung der G an die T (unter Gewährung des Freibetrags von Eltern zu Kind) und eine davon unabhängige Schenkung von T an die E (ebenfalls unter Gewährung des Freibetrags von Eltern zu Kind) an. Das Finanzamt sah hingegen eine direkte Schenkung der G an ihre Enkelin - der E - und besteuerte einen einheitlichen Vorgang unter Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags von Großmutter zu Enkelin.
Entscheidung
Das Hessische Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die in den Verträgen insgesamt getroffenen Regelungen von dem übereinstimmenden Willen aller Beteiligten getragen waren und zwischen beiden Verträgen eine auf einem Gesamtplan beruhende sachliche Verknüpfung bestand. Hierfür sprechen sämtliche erkennbaren Umstände. So stellt bereits der zeitgleiche Abschluss der Verträge in einem Notartermin ein Indiz für die Abhängigkeit zwischen beiden Verträgen dar. Hinzu kam, dass die Großmutter auch an dem Übertragungsvertrag zwischen ihrer Tochter und der Enkelin beteiligt war. Damit stellt sich der gesamte Vorgang als einheitliche Regelung der vorweggenommenen Erbfolge dar, so dass die Zuwendung direkt von der Großmutter an ihre Enkelin erfolgte.
Hinweis
Die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts entspricht im Wesentlichen den vom BFH vorgegebenen Abgrenzungskriterien (zuletzt BFH, Urteil v. 10.3.2005, II R 54/03, HI1343317). Eine zeitgleich ausgeführte Schenkung in einer Reihe wird in der Praxis immer auf Probleme stoßen, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden muss, dass hier ein einheitlicher Wille vorhanden war und damit das Ganze nach einem Gesamtplan abgewickelt wurde.
Das Gericht weist noch ausdrücklich darauf hin, dass in dem Fall, in dem eine Schenkung von der Großmutter an die Tochter anzunehmen gewesen wäre, über einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO nachgedacht werden müsste.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 24.10.2007, 1 K 268/04