Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. § 37b Abs. 2 EStG erfasst die betrieblich veranlassten, nicht in Geld bestehenden Zuwendungen an Arbeitnehmer, soweit die Zuwendungen grundsätzlich einkommensteuerbar und einkommensteuerpflichtig sind und zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.
2. § 37b Abs. 1 i.V.m. § 37b Abs. 2 EStG erweitert nicht den einkommensteuerrechtlichen Lohnbegriff, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl.
3. Betreut ein Außendienstmitarbeiter auf Geheiß seines Arbeitgebers Kunden im Rahmen einer Kundenveranstaltung, kann dies im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen und daher die Zuwendung eines lohnsteuerrechtlichen Vorteils ausschließen.
Normenkette
§ 37b Abs. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
K hatte 2008 im Rahmen eines bekannten Segelsportereignisses zwei Kundenveranstaltungen in Form von Regattabegleitfahrten durchgeführt, dazu ein Segelschiff gechartert und Kunden und Geschäftsfreunde eingeladen. Die Teilnehmer konnten an Bord ein Catering in Anspruch nehmen und dort auch übernachten. 44 Personen, davon 19 Mitarbeiter der K, nahmen an der ersten Fahrt teil, 69 Personen, davon 18 Mitarbeiter, an der zweiten. Die teilnehmenden Mitarbeiter hatten bei den Veranstaltungen entsprechende Jacken mit Ks Firmenlogo zu tragen, waren mit der Aufgabe betraut, die Kunden und Geschäftsfreunde über die Dauer der gesamten Fahrt zu betreuen und mit ihnen fachliche Gespräche zu führen. Das FA beurteilte die Teilnahme der Mitarbeiter an den Kundenveranstaltungen als lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteile und erließ deshalb einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer. K hatte die Pauschalversteuerung nach § 37b Abs. 1 und 2 EStG beantragt. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.11.2012, 12 K 12013/11, Haufe-Index 4748046).
Entscheidung
Der BFH bestätigte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen das Urteil des FG.
Hinweis
Der Besprechungsfall befasst sich mit der Steuerpauschalierung für Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen (§ 37b Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie mit dem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse.
1. Der Lohnsteuersenat stellt klar, dass die Steuerpauschalierung für Zuwendungen an Arbeitnehmer – nicht anders als die für Zuwendungen an beliebige Dritte (§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, VI R 57/11) und für Geschenke (§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, VI R 52/11) – voraussetzt, dass die Zuwendungen beim Empfänger zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen; er verweist dazu auf das Urteil in der Sache VI R 57/11. Somit erfasst § 37b Abs. 2 EStG nur die betrieblich veranlassten, nicht in Geld bestehenden Zuwendungen an Arbeitnehmer, soweit sie grundsätzlich einkommensteuerbar und einkommensteuerpflichtig sind. Fazit: § 37b EStG erweitert also nicht den Einkünftetatbestand und folglich auch nicht den Lohnbegriff.
Die weitere Voraussetzung des § 37b Abs. 2 EStG,"zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht", erläutert der BFH mit ausdrücklichem Hinweis auf seine Urteile vom 19.9.2012 (VI R 54/11, BFH/NV 2013, 124, BFH/PR 2013, 33; VI R 55/11, BFH/NV 2013, 126, BFH/PR 2013, 34). Beachten Sie: Diese Urteile sind mit einem "Nichtanwendungserlass" zugunsten der Steuerpflichtigen belegt (BMF, Schreiben vom 22.5.2013, IV C 5-S 2388/11/10001-02, BStBl I 2013, 728); es bleibt abzuwarten, ob sich dies künftig auch auf § 37b EStG erstreckt.
2. Auf Grundlage dieser auch vom FG vertretenen Rechtsauffassung (Einkommensteuerbarkeit der Zuwendung) hat es die Voraussetzungen der Einkommensteuerpauschalierung nach § 37b EStG zutreffend damit verneint, dass die Teilnahme der Mitarbeiter an der Regattabegleitfahrt in Ks ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gestanden habe und ein den Mitarbeitern gewährter Vorteil lediglich notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung gewesen sei. Der BFH zeichnet diese Würdigung nach und beurteilt sie als durchaus naheliegend. Damit war der Fall entschieden. Als obiter dictum meldet der BFH allerdings Zweifel daran an, ob hier überhaupt Zuwendungen an Ks Arbeitnehmer vorliegen. Denn werden Arbeitnehmer für den Arbeitgeber auf dessen Geheiß tätig und entspricht die Tätigkeit des Arbeitnehmers den Belangen des Arbeitgebers, wird allein eine touristische oder aus anderen Gründen attraktive Umgebung noch keinen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.10.2013 – VI R 78/12