Leitsatz

Eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, kann mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1, § 5 Abs. 2a, § 52 Abs. 12a EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Juli 1995 gegründet. Das Stammkapital betrug 100.000 DM und wurde im Streitjahr 1999 durch ihre Alleingesellschafterin, die B-GmbH, gehalten.

Die finanzielle Ausstattung der Klägerin war unzureichend. Die B-GmbH schloss mit der Klägerin im September 1995 und auch im Folgejahr 1996 jeweils Darlehens- und Rangrücktrittsverträge, worin sie sich verpflichtete, der Klägerin zur Ingangsetzung ihres Geschäftsbetriebs ein entsprechend dem finanziellen Bedarf abrufbares verzinsliches Darlehen mit einem Kreditrahmen von bis zu 15 Mio. DM zu gewähren. Sicherheiten wurden keine gestellt. Das Darlehen war von jeder der Parteien jederzeit kündbar.

In dem Vertrag wurde für den Fall einer Überschuldung der Schuldnerin ein Rangrücktritt hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger vereinbart und zudem eine Befriedigungsmöglichkeit für diesen Fall der Überschuldung auf künftige Jahresüberschüsse oder ggf. auf einen Liquidationsüberschuss beschränkt.

Zum 31.12.1995 und zum 31.12.1996 war die Klägerin bilanziell überschuldet. Dies änderte sich auch in den folgenden Jahren nicht.

Das FA vertrat unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 18.8.2004 (BStBl I 2004, 850) die Auffassung, dass die in der Bilanz zum 31.12.1999 enthaltene Verbindlichkeit gegenüber der B-GmbH i.H.v. rd. 16 Mio. DM wegen § 5 Abs. 2a EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 gewinnwirksam aufzulösen sei.

Die anschließende Klage war erfolgreich (FG München, Urteil vom 22.10.2010, 7 K 1396/08, Haufe-Index 2590068, EFG 2011, 554).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Es fehle angesichts der vereinbarten Befriedigungsmöglichkeit aus zukünftigen Gewinnen an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung für einen Schuldausweis. Der Befriedigungsweg über etwaige Liquidationsüberschüsse ändere daran nichts.

 

Hinweis

1. Entscheidet sich der Gläubiger eines notleidenden Unternehmens, seinen Sanierungsbeitrag mittels eines Rangrücktritts zu leisten, und qualifiziert er diesen Rangrücktritt zusätzlich dadurch, dass er hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt, dann ist die zugrunde liegende Schuld gleichwohl nach wie vor "passivisch" auszuweisen. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn der Gläubiger fortan nur noch gleichrangig mit dem Eigenkapital und nur noch aus künftigen Gewinnen, Liquidationsüberschüssen und dem sonstigen freien Vermögen des Schuldners Befriedigung erlangen kann.

2. Anders liegen die Dinge indessen, wenn die Befriedigung aus dem sonstigen freien Vermögen ausscheidet und sich alles auf die Befriedigung aus künftigen Gewinnen reduziert. Es fehlt an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung des Schuldners am Bilanzstichtag. § 5 Abs. 2a EStG ordnet für diesen Fall ein Ausweisverbot an. Das ändert sich erst, wenn die künftigen Gewinne "real" werden; die Schuld ist dann wieder einzubuchen.

Dieses wirtschaftliche Verständnis gilt gleichermaßen für jegliche Rangrücktrittsvarianten, mithin für den einfachen ebenso wie den qualifizierten Rang­rücktritt. In beiden Konstellationen hängen Einnahmen und Verbindlichkeiten voneinander ab.

3. Ein derartiger Rangrücktritt ist nicht als ertragsneutrale (verdeckte) Einlage zu behandeln.

Das könnte nur (und wird) der Fall sein, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeit auf die Liquidationsüberschüsse reduziert, nicht aber, wenn auch zukünftige Gewinne "im Spiel" sind. Die Schuldtilgung kann dann schon vor einer Liquidation verlangt werden, was wiederum den "Eigenkapitalersatz" ausschließt.

4. Die feinsinnigen Unterscheidungen bestätigen im Kern die Verwaltungspraxis (BMF, Schreiben vom 8.9.2006, BStBl I 2006, 497).

Sie gehen aber insofern darüber hinaus, als sie den einfachen wie den qualifizierten Rangrücktritt gleichbehandeln und die beschriebenen Wirkungen der Vereinbarungen im Lichte der wirtschaftlichen Belastungslage nicht auf den einfachen Rangrücktritt verengen. Umgekehrt entfallen jene Wirkungen aber hier wie dort immer dann, wenn die Forderungen (auch) aus freiem Vermögen zu tilgen sind.

5. Der Vertrags- und Gestaltungspraxis ist dringend anzuraten, dies zu beachten, soll entsprechender "Bilanzierungsschiffbruch" und ein unerwarteter steuerlicher Ertrag vermieden werden. U.U. sind entsprechende Vereinbarungen anzupassen.

Dabei sollte aber immer auch das steuerliche Umfeld beachtet werden: Bei bestehenden Verlustvorträgen lässt sich der Ertrag leichthin gegenrechnen und auf diese Weise gestalterisch nutzen. Auch ist es bei drohendem Verlustausweis oftmals günstiger, die Passivseite zu verkürzen, weil der Verlust infolge der Mindeststeuer des § 10d Abs. 2 EStG nur quotal berücksichtigt wird. Durch einen Verzicht gegen Besserungsschein lässt sich das leichthin umsetzen; die Passivierung scheidet dann ...

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