Leitsatz
Nach dem Gesetzeszweck ist eine einschränkende Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § 35 Abs. 1 EStG dahin geboten, dass in den Fällen, in denen der Veräußerungsgewinn sowohl die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 UmwStG a.F. (§ 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwStG n.F.) als auch des § 7 Satz 2 GewStG erfüllt, der auf dem Veräußerungsgewinn beruhende Teil des Gewerbesteuer-Messbetrags bei der Steuerermäßigung nach § 35 EStG nicht zu berücksichtigen ist. Der gewerbesteuerpflichtige Veräußerungsgewinn i.S.d. § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 UmwStG a.F. ist nicht um den Teil zu kürzen, der auf Beteiligungen an anderen Personen- und Kapitalgesellschaften entfällt, die bereits der formgewechselten Kapitalgesellschaft vor der Umwandlung zugestanden haben.
Sachverhalt
Die Klägerin war Gesellschafterin der N GmbH & Co. KG (im folgenden N KG). Im Jahr 2005 erwarb sie von der beigeladenen S AG & Co. Holding KG, mit der ein Organschaftsverhältnis besteht, sämtliche Kommanditanteile an der N KG sowie sämtliche Anteile an deren Komplementär-GmbH. Die N KG entstand im Jahr 2002 durch Formwechsel aus der N GmbH, deren Anteilseigner und körperschaft- und gewerbesteuerlicher Organträger ebenfalls die S AG & Co. Holding KG war. Aus der Veräußerung ihrer Kommanditanteile an der N KG an die Klägerin im Streitjahr 2005 realisierte die S AG & Co. Holding KG einen Gewinn i.H.v. 175 Mio. EUR, von dem ein Teilbetrag auf den Betrieb der KG und ein Teilbetrag auf stille Reserven in den Beteiligungen der N KG an anderen Personen- und Kapitalgesellschaften entfiel. Der gesamte Veräußerungsgewinn unterlag unstreitig der Gewerbesteuer. Das Finanzamt hat für 2005 den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke des § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns festgestellt. Gegen diesen Bescheid legte die N KG Einspruch ein und begehrte die Erhöhung des Gewerbesteuermessbetrags mit der Begründung, dass der erklärte Veräußerungsgewinn nach § 7 Satz 2 GewStG und nicht nach § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. gewerbesteuerpflichtig sei. Der Ausschluss der Vergünstigung einer pauschalierten Gewerbesteueranrechnung durch § 18 Abs. 4 Satz 3 UmwStG greife daher nicht ein. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück, da ein Vorrang des § 7 Satz 2 GewStG vor § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. nicht gegeben sei.
Entscheidung
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Veräußerungsgewinn der Kommanditanteile ist sowohl nach § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG (a.F.) als auch nach § 7 Satz 2 GewStG zum Gewerbeertrag zu rechnen. Das Gericht lässt es allerdings offen, welche der beiden Vorschriften Vorrang hat. Denn die Anrechnungsvorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG muss im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass die im Anschluss an die Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft erzielten Veräußerungs- und Aufgabegewinne nicht der Steuerermäßigung des § 35 EStG unterliegen. Der Gesetzgeber wollte mit § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. verhindern, dass die Steuerbegünstigung für Umwandlungen missbraucht wird. Dieser Zweck wird dadurch erreicht, dass eine zeitnahe Betriebsaufgabe - d.h. innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung - der Gewerbesteuer unterworfen wird. In diesem Fall nimmt § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. unwiderlegbar an, dass die Umwandlung nur vorgenommen wurde, um bei der Veräußerung oder Aufgabe die Gewerbesteuerpflicht zu umgehen. Würde jedoch § 35 EStG bei Veräußerungs- oder Aufgabegewinnen zur Anwendung kommen, so würde das Ziel der Missbrauchsverhinderung weitgehend unterlaufen. Auch der Hilfsantrag der Klägerin wird abgelehnt. Das beklagte Finanzamt hat zutreffend den Teil des Veräußerungsgewinns, der auf die stillen Reserven der von der N KG gehaltenen Anteilen an anderen Personen- und Kapitalgesellschaften entfällt, ebenfalls von der Anrechnung nach § 35 EStG ausgenommen.
Hinweis
Das Urteil ist für die Praxis von hoher Relevanz. Es ist festzustellen, dass Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und auch bereits eingelegt wurde. Es ist äußerst strittig, ob eine teleologische Reduktion der Begünstigungsvorschrift des § 35 EStG in den Fällen, die gleichzeitig § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. (§ 18 Abs. 3 UmwStG n.F.) und § 7 Satz 2 GewStG erfüllen, sachgerecht ist mit der Folge, dass insoweit eine Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG ausscheidet. Des Weiteren ist auch die zweite Rechtsfrage, ob der gewerbesteuerpflichtige Veräußerungsgewinn i.S.d. § 18 Abs. 4 UmwStG a.F. um den Teil zu kürzen ist, der auf Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften entfällt, die im Gesamthandsvermögen der veräußerten Personengesellschaft und von der formgewechselten Kapitalgesellschaft bereits vor der Umwandlung gehalten wurden, von hoher Wichtigkeit. Es ist daher in ähnlich gelagerten Fällen anzuraten, nach der Umwandlung die Haltefrist von 5 Jahren einzuhalten.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.06.2012, 3 K 2236/09