Leitsatz
Ein Abrechnungsdokument ist keine Rechnung und kann deshalb auch nicht mit der Folge einer Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt werden, wenn es wegen ganz allgemein gehaltener Angaben (hier "Produktverkäufe") nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen.
Normenkette
§ 14 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, § 31 Abs. 5 UStDV, Art. 18 Abs. 1, Art. 22 Abs. 3 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt einen Onlineshop für verschiedene Softwarehersteller. Im November 2005 erwarb die Klägerin von einem Verlag Standardsoftware und rechnete hierüber mit einer Credit Note vom 7.12.2005 als Gutschrift ab. Darin fehlten Angaben zur Steuernummer und zur USt‐IdNr. des Verlags. Der Gegenstand der Abrechnung war mit "Transfer Sum November 2005" beschrieben. Zusammen mit der Credit Note übermittelte die Klägerin einen "Accounting Report", in dem unter "Sales Products" (Produktverkäufe) die Nettoumsätze aus den von ihr verkauften Software-Produkten in einer Summe zusammengefasst dargestellt waren; darauf wurde der Steuersatz "16 %" angewendet und als Ergebnis der "Rechnungsbetrag brutto" angegeben. Die Klägerin übermittelte die Credit Note und den Accounting Report an den Verlag per E‐Mail ohne elektronische Signatur.
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2005 vom 30.3.2007 zog die Klägerin die Mehrwertsteuer aus der Credit Note in Höhe von 33,44 EUR als Vorsteuer ab.
Im Nachgang zu einer betriebsinternen Prüfung übermittelte die Klägerin dem Verlag die Credit Note mit Begleitschreiben vom 26.4.2011 erneut, nunmehr in Papierform. Beigelegt waren ein Blatt mit der Angabe der Steuernummer des Verlags sowie eine Auflistung der von dem Verlag erworbenen Software.
Hierauf gab die Klägerin am 28.6.2011 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 2005 ab, in der sie aus der Credit Note keinen Vorsteuerabzug mehr geltend machte. Hiergegen legte sie erfolglos Einspruch ein, mit dem sie eine auf das Streitjahr rückwirkende Berichtigung der Credit Note geltend machte. Demgegenüber gab das Finanzgericht der Klage statt, da der Berichtigung Rückwirkung zukomme (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.5.2017, 1 K 605/17, Haufe-Index 11406209, EFG 2018, 244).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Das FG habe das im Streitjahr als Gutschrift erteilte Ausgangsdokument zu Unrecht als berichtigungsfähig angesehen und dabei nicht hinreichend beachtet, dass die dort enthaltenen Angaben zum Leistungsgegenstand derart ungenau waren, dass sie einer fehlenden Leistungsbeschreibung gleichzustellen sind.
Aus der Angabe "Transfer Sum November 2005" ergebe sich nur ein Überweisungsbetrag. Die Angabe "Sales Products" nehme zwar Bezug auf Produktverkäufe, lasse aber die Art der verkauften Produkte völlig offen. Auch aus der Firmenbezeichnung des Leistenden, eines Verlages, ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte zur Art der abgerechneten Umsätze, da die Angebotspalette eines Verlags klassische Printangebote ebenso umfassen kann wie etwa digitale Medienangebote.
Hinweis
1. Der BFH hält weiter daran fest, dass der Vorsteuerabzug aus Leistungen, für die der Leistende Steuerschuldner ist, entsprechend der ausdrücklichen Gesetzeslage in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG und Art. 178 Buchst. a MwStSystRLeiner ordnungsgemäßen Rechnung bedarf.
2. Rechnungen mit fehlenden oder fehlerhaften Angaben berechtigen danach grundsätzlich nicht zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs. Einer Rechnungsberichtigung kann aber Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zukommen, wenn das zu berichtigende Ausgangsdokument die Mindestanforderungen einer Rechnung erfüllt. Hierzu gehören für den BFH Angaben zum Rechnungsaussteller, Angaben zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer (BFH, Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15, BFHE 255, 348). Danach ist z.B. ein Bierdeckel mit oder ohne Vermerken zu Speisen oder Getränken in einem Restaurant nicht als Rechnung anzusehen.
3. An einer berichtigungsfähigen Rechnung kann es danach auch fehlen, wenn in dem (zu berichtigenden) Ausgangsdokument Angaben zur Leistungsbeschreibung fehlen. Insoweit ist zwischen dem Vorliegen ungenauer Angaben, die berichtigungsfähig sind, und dem völligen Fehlen von Angaben zur Leistungsbeschreibung zu unterscheiden.
4. Damit eine berichtigungsfähige Rechnung vorliegt, muss sie in Bezug auf die Leistung Angaben tatsächlicher Art enthalten, die es erlauben, die abgerechnete Leistung zu identifizieren. An einer Leistungsbeschreibung fehlt es, wenn diese Angaben derart unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sich aus der Abrechnung keinerlei Anhaltspunkte für die Art des gelieferten Gegenstandes oder der sonstigen Leistung ergeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.3.2020 – V R 48/17