Leitsatz
Die nachträgliche Korrektur von Rechnungen entfaltet im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 14a Abs. 7 UStG keine Rückwirkung (Anschluss an das EuGH-Urteil Luxury Trust Automobil vom 08.12.2022 – C‐247/21, EU:C:2022:966).
Normenkette
§ 25b, § 3d Sätze 1 und 2, § 14a Abs. 7 UStG, Art. 41, Art. 42 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
In den Jahren 2008 bis 2013 (Streitjahre) betrieb der Kläger einen Großhandel mit landwirtschaftlichen Maschinen. Er besaß für die Republik Polen u.a. das alleinige Vertriebsrecht für Maschinen der Hersteller B (Königreich Belgien) und C (Neuseeland/Tschechische Republik).
Die Maschinen wurden vom Kläger bei den Herstellern bestellt und von dort direkt an die Kunden in verschiedenen Mitgliedstaaten, insbesondere Polen, geliefert, wobei der Kläger seinen Kunden in keinem Fall bereits vor der Warenbewegung die Verfügungsmacht an den Maschinen übertrug. Der Kläger verwendete seine deutsche USt-IdNr. Die Endkunden verwendeten die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummern ihres Ansässigkeitsstaates.
Lieferweg im Regelfall (Schema)
B (BE) → Kläger (DE) → Kunde (PL)
C (CZ) → Kläger (DE) → Kunde (PL)
Für die Lieferungen aus den anderen Mitgliedstaaten (BE und CZ) nach Polen (PL) erklärte der Kläger in seinen deutschen USt-Erklärungen auf der Eingangsseite umsatzsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland und machte den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) geltend. Er erklärte die Weiterlieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von Deutschland nach Polen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG). Sowohl die ZM des Klägers als auch die Rechnungen des Klägers an seine Kunden enthielten zunächst keinen Hinweis auf ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft.
Nach einer Außenprüfung nahm das FA an, dass innergemeinschaftliche Reihengeschäfte vorliegen. Die Beförderung oder Versendung sei der Lieferung an den Kläger zuzuordnen. Der Ort der Lieferungen des Klägers an seine Kunden liege gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG in Polen. Dort hätte sich der Kläger registrieren und seine Umsätze aus den Lieferungen an die Kunden erklären müssen. Der Kläger hätte dort auch den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern müssen und zugleich den Vorsteuerabzug vornehmen dürfen. Zugleich habe der Kläger die Waren gemäß § 3d Satz 2 Halbs. 1 UStG in Deutschland innergemeinschaftlich erworben. Von der Vereinfachungsregel des § 25b UStG habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht; denn er habe u.a. die letzten Abnehmer nicht auf das Dreiecksgeschäft und ihre Steuerschuldnerschaft hingewiesen. Dem Kläger stehe auch kein Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG zu.
Der Kläger erteilte daraufhin im Dezember 2015 berichtigte Rechnungen i.S.d. § 25b UStG und übermittelte am 14.6.2016 berichtigte Zusammenfassende Meldungen an das BZSt. Für Juni 2016 meldete der Kläger einen entsprechenden USt-Vergütungsanspruch an.
Außerdem beantragte der Kläger, für die Streitjahre keinen Fall des § 3d Satz 2 UStG anzunehmen, hilfsweise, die Rechnungskorrekturen nachträglich als rückwirkend zum Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsstellung anzuerkennen, weiter hilfsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO.
Diese Anträge lehnte das FA ab, erließ USt-Änderungsbescheide für die Streitjahre 2008 bis 2013 und setzte Nachzahlungszinsen zur USt fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das FG (FG Münster, Gerichtsbescheid vom 22.4.2020, 15 K 1219/17 U, AO, Haufe-Index 13919730) gab der Klage im Hauptantrag (USt 2008 bis 2013) statt. Über die Zinsbescheide entschied das FG nicht, da sich die Pflicht des FA zur Änderung insoweit unmittelbar aus § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ergebe. Auch über die Hilfsanträge (Billigkeitsentscheidung wegen USt und Zinsen) entschied das FG nicht, da die Klage im Hauptantrag Erfolg hatte.
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage wegen USt 2008 bis 2013 abgewiesen.
Allerdings hat er das Verfahren wegen der Zinsen zur USt 2008 bis 2013 sowie wegen der Hilfsanträge (abweichende Festsetzung der USt und der Zinsen gemäß § 163 AO) an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Der EuGH hatte mit Urteil Luxury Trust Automobil vom 8.12.2022, C-247/21, EU:C:2022:966, BFH/NV 2023, 365, entschieden, dass der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nicht wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden ist, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" enthält. Die Rechnung kann auch nicht rückwirkend durch Ergänzung der fehlenden Angabe berichtigt werden.
2. Der BFH hat dies mit dem Besprechungsurteil auf § 25b Abs. 2 Nr. 3, § 14a Abs. 7 Satz 1, § 25b Abs. 3 UStG übertragen. Eine rückwirkende Berichtigung der Rechnung ist auch nach deutschem Recht nicht möglich. Der BFH legt das nationale Recht daher insoweit richtlinienkonform aus.
3. In dem nicht veröffentlichten Urteil XI R 34/22 vom selben Tag hat der BFH die streitige Rechtsfrage off...