Leitsatz

1. Der Begriff der Anlage i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht eigenständig und funktionsbezogen auszulegen, sodass Begriffsbestimmungen in anderen Gesetzen nicht herangezogen werden können.

2. Ein Blockheizkraftwerk, das aus insgesamt drei in einem Gebäude installierten Aggregaten zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme sowie vier Heizkesseln besteht und das von einem Betreiber zur Versorgung eines angrenzenden Stadtteils mit Strom und Fernwärme betrieben wird, ist als eine Anlage i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG anzusehen.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Nr. 2 StromStG; § 3 Abs. 2 EEG; § 3 Abs. 3 KWKG

 

Sachverhalt

Ein mit Erdgas beheiztes Blockheizkraftwerk besteht aus drei Aggregaten zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme sowie vier Heizkesseln zur ausschließlichen Erzeugung von Wärme, die alle in einem Gebäude installiert sind. Das Werk versorgt den angrenzenden Stadtteil mit Fernwärme und die örtlichen Letztverbraucher mit Strom. Jedes der drei Module verfügt über eine eigene Steuerung, die es ermöglicht, die Aggregate je nach Bedarf zum Abdecken von Strom- und Wärmespitzen getrennt voneinander zu betreiben.

Das HZA setzte die Stromsteuer nach dem Regelsteuersatz fest. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG – in der für die Streitjahre 2004, 2005 geltenden Fassung – sei nur für Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu 2 MW eine Stromsteuerbefreiung vorgesehen; dieser Wert werde durch die drei Module überschritten, welche als eine Anlage anzusehen seien.

 

Entscheidung

Der BFH hat das klageabweisende Urteil des FG (Thüringer FG, Urteil vom 31.07.2008, 2 K 271/07, Haufe-Index 2146664) bestätigt. Denn es handle sich nicht um drei Anlagen, sondern um eine.

 

Hinweis

Was eine Anlage ist, wird im StromStG nicht definiert. Begriffsdefinitionen aus anderen Gesetzen können für das StromStG nicht zugrunde gelegt werden.

Die steuerliche Förderung der Stromerzeugung durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Dezentralisierung der Stromversorgung beitragen (BT-Drucks. 14/2044). Ist ein Heizkraftwerk deshalb eine Einrichtung der dezentralen Versorgung, weil es aus einer Reihe einzelner, technisch gesehen an sich weitgehend selbstständiger Bauteile besteht? Obwohl diese in ihrer Gesamtheit und als aufeinander abgestimmte Teile des ganzen Werks dazu bestimmt sind, eine bestimmte Strom- und Wärmeversorgungsaufgabe zu übernehmen? Das wird man wohl kaum annehmen, also den Anlagenbegriff nicht rein technisch, gleichsam als kleinste funktionsfähige Einheit verstehen können. Der BFH hat deshalb mit Recht eine isolierte Betrachtung jedes einzelnen stromerzeugenden Moduls als den gesetzgeberischen Zielen widersprechend abgelehnt.

In seiner Begründung stellt er auf die räumliche Anordnung und Unterbringung der Module ab, die messtechnische Erfassung der eingesetzten Energieträger und des erzeugten Stroms sowie der erzeugten Wärme, die Steuerungsmöglichkeiten und die Leitungsführung, wobei nur dieser bunte Strauß geflochten wird, ohne dass eine Gewichtung und Zuordnung dieser Gesichtspunkte oder gar der Ansatz einer "Anlage-Definition" entwickelt wird. Starke, wenn auch nicht allein ausschlaggebende Indizien für das Vorliegen einer Gesamtanlage, sollen jedenfalls die räumliche Zusammenfassung mehrerer Aggregate an einem Standort, "z.B. in einem Gebäude", sowie der Betrieb eines Werks durch einen Betreiber und die Versorgung eines bestimmten Abnehmerkreises mit Strom und Wärme sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.06.2009 – VII R 42/08

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