Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Tarifvertragliche Zuschüsse einer Rundfunkanstalt an eine selbständige Journalistin anlässlich ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft sind nicht gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei.
2. Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG verletzt insoweit nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Normenkette
§ 3 Nr. 1 Buchst. d, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 14 MuSchG a.F., Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin war als Journalistin bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschäftigt. Sie erzielte hieraus als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 EStG. Im Streitjahr 2014 erhielt sie aufgrund ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihrer zweiten Tochter von den Rundfunkanstalten Zahlungen i.H.v. 10.159 EUR und 5.704 EUR gutgeschrieben. Grundlage der Zahlungen waren Tarifverträge, die im Fall des Nachweises einer Schwangerschaft jeweils Ansprüche auf Zuschusszahlungen für die Dauer von sechs Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt vorsahen. In ihrer ESt-Erklärung gab die Klägerin die tarifvertraglichen Zuschüsse nicht an. Sie wies diese in der Anlage N als steuerfreie Lohnersatzleistungen nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG aus. Das FA folgte dem nicht und besteuerte die tarifvertraglichen Zusatzleistungen als steuerpflichtige Einnahmen aus selbstständiger Arbeit. Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG ab (FG Köln, Urteil vom 12.9.2019, 15 K 1378/18, Haufe-Index 13913272, EFG 2020, 1114).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Er war nicht davon überzeugt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Hinweis
1. Bei den auf tarifvertraglicher Grundlage gezahlten schwangerschafts- bzw. mutterschaftsbedingten Zuschüssen handelte es sich um steuerbare Betriebseinnahmen der Klägerin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Journalistin (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Auch unentgeltliche Zuwendungen, mit denen keine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll, können Betriebseinnahmen sein. Erforderlich ist nur, dass die Zuwendung einen wirtschaftlichen Bezug zum Betrieb aufweist. Dies war vorliegend der Fall. Denn nur aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit für die beiden Rundfunkanstalten fanden die Tarifverträge auf die Klägerin Anwendung.
2. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG, nach der insbesondere das Mutterschaftsgeld und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG steuerfrei sind, war vorliegend nicht einschlägig. Bei den von der Klägerin vereinnahmten tarifvertraglichen Leistungen handelt es sich weder um "Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG" noch um einen "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG".
3. § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ist auf tarifvertragliche Zuschüsse auch nicht analog anwendbar. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung der Vorschrift geschlossen werden müsste. Aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG und des MuSchG gehen keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Lücke des Gesetzes hervor. Das Mutterschaftsgeld und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld wurden im Gesetz ausdrücklich und nur unter Bezugnahme auf das MuSchG steuerbefreit. Die seit dem 1.1.2018 geltende Neufassung des MuSchG (MuSchG n.F.) spricht ebenfalls gegen eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG auf tarifvertragliche Zuschüsse an arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen. Denn bezüglich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 MuSchG n.F. werden arbeitnehmerähnliche Personen auch weiterhin nicht in den gesetzlichen Mutterschutz nach dem MuSchG einbezogen.
4. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG keine Steuerbefreiung für Zuschüsse an freie Mitarbeiterinnen auf tarifvertraglicher Grundlage vorsieht, die Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld (§ 14 MuSchG a.F., § 20 MuSchG n.F.) nachgebildet sind. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit durfte der Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Steuerbefreiung für Leistungen während der Mutterschutzfristen zwischen Einkünfte gemäß § 18 EStG erzielenden selbstständigen Frauen und Einkünfte gemäß § 19 EStG erzielenden nichtselbstständigen Frauen differenzieren. Der sachliche Grund, der die nach der Art der Beschäftigung differenzierende Befreiung von der ESt zu rechtfertigen vermag, ist die Wesensverschiedenheit von selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit.
5. Zudem wurde der Zuschuss nach dem Tarifvertrag – anders als bei dem Zuschuss nach dem MuSchG – ohne Verminderung um gesetzliche Abzüge bemessen. Die Besteuerung der Zuschüsse nach dem Tarifvertrag entspricht somit der Besteuerung der Vergütungen bei aktiver Beschäftigung und ist damit folgerichtig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.9.2022 – VIII R 39/19