Leitsatz
Die gemäß § 32d Abs. 3 und 4 EStG veranlagte und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegende Einkommensteuer kann nicht nach § 35a EStG ermäßigt werden.
Normenkette
§ 35a, § 32d, § 2 Abs. 5, Abs. 5b, Abs. 6, § 32a, § 35a, § 43 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte im Streitjahr (2014) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte. Die Summe der Einkünfte sowie das zu versteuernde Einkommen waren negativ. Daneben erzielte die Klägerin (positive) Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ein Teil dieser Einkünfte unterlag dem Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 43 EStG. Im Übrigen sind sie gemäß § 32d Abs. 3 EStG in die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin mit dem gesonderten Steuertarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG eingegangen.
In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Aufwendungen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen im Privathaushalt, für haushaltsnahe Dienstleistungen und für Handwerkerleistungen geltend. Zudem beantragte sie die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge sowie eine Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge.
Das FA veranlagte die Klägerin ohne Berücksichtigung von Steuerermäßigungen gemäß § 35a EStG zur Einkommensteuer. In den Erläuterungen des Bescheids teilte es der Klägerin mit, die Günstigerprüfung habe ergeben, dass die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif nicht günstiger sei.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ihr stehe nach § 35a EStG ein Ermäßigungsbetrag zu. Bei der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer sei dieser Betrag im Wege der Kürzung zu berücksichtigen.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 23.11.2017, 6 K 106/16, Haufe-Index 11427890).
Entscheidung
Der BFH hob die klageabweisende Vorentscheidung zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen auf, da während des Revisionsverfahrens ein geänderter Einkommensteuerbescheid ergangen ist. In der Sache blieb die Revision der Klägerin aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen jedoch erfolglos.
Hinweis
1. Nach § 35a EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer – unter weiteren Voraussetzungen und höchstbetragsbegrenzt – um 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen.
2. Im Streitfall hat die Klägerin zwar unstreitig dem Grunde nach solch begünstigte Aufwendungen getätigt. Gleichwohl kommt eine Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer vorliegend nicht in Betracht.
a) Tarifliche Einkommensteuer ist der Steuerbetrag, der sich aus der Anwendung des Einkommensteuertarifs gemäß § 32a EStG auf das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG, in das Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG und § 43 Abs. 5 EStG nicht einzubeziehen sind (§ 2 Abs. 5b EStG), ergibt. Dieser Betrag lautet vorliegend auf 0 EUR. Denn die Klägerin hat kein positives zu versteuerndes Einkommen erzielt.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die gemäß § 32d Abs. 3 und 4 EStG"veranlagte" und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStGunterliegende Einkommensteuer nicht (Bestand-)Teil der tariflichen Einkommensteuer. Vielmehr ist diese um die Einkommensteuer auf Kapitalerträge gemäß § 32d EStG zu erhöhen (§ 32d Abs. 3 Satz 2 EStG). Dem entspricht die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer in § 2 Abs. 6 EStG. Danach ist die tarifliche Einkommensteuer u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu vermehren. Daraus wird deutlich, dass die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallende, gesondert zu ermittelnde Steuer nicht der tariflichen Einkommensteuer zugehört, sondern lediglich eine Maßgröße für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer ist. In die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif und damit in die tarifliche Einkommensteuer gehen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur im Rahmen der sog. Günstigerprüfung ein (§ 32d Abs. 6 EStG).
c) Zudem übersieht die Klägerin, dass in § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Reihenfolge der erforderlichen Rechenschritte, um von der tariflichen Einkommensteuer zu der festzusetzenden Einkommensteuer zu gelangen, festgeschrieben ist. Danach ist die tarifliche Einkommensteuer zunächst u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und erst dann um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu erhöhen. Daher kommt keine Steuerermäßigung in Betracht, wenn die tarifliche Einkommensteuer 0 EUR beträgt. Sie kann deshalb auch nicht als negative Rechengröße in die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer eingehen. Dies gilt auch dann, wenn sich – wie im Streitfall – durch die Vermehrung dieses (negativen) Betrags durch die "veranlagte" Einkommensteuer auf Kapitalerträge (§ 32d Abs. 3 und 4 EStG) oder andere Hinzurechnungsgrößen eine positive festzusetzende Einkommensteuer ergibt. Denn das Einkommensteuerrecht kennt im Rahmen der...