Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Bei Anmietung von Bussen mit Fahrern von ausländischen Unternehmern für längerfristige Inlandstourneen kommt bereits bei einmaliger Überquerung der Grenze vom Inland zum Drittlandsgebiet keine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens in Betracht.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Kapitalgesellschaft, die Konzerttourneen mit hauptsächlich osteuropäischen Künstlern organisiert. Bei jeder Reise, die mehrere Tage oder Wochen dauerte, fanden Veranstaltungen in jeweils anderen Orten Deutschlands und im Ausland statt. Hierzu wurden mit den örtlichen Veranstaltern, beispielsweise Gemeinden, entsprechende Verträge abgeschlossen. Die Reisen führte die Klägerin mit Reisebussen durch, die jeweils nicht im Inland zugelassen waren. Hierfür mietete sie diese Busse mit Fahrern von im Ausland ansässigen Unternehmen an. Offenbar war die Sachverhalts-/Beleglage etwas undurchsichtig, weshalb das Finanzamt gegenüber der Klägerin Umsatzsteuer gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bzw. Abs. 2 Satz 1 UStG a. F. festsetzte und teilweise Zuschätzungen vornahm. Nach Ansicht der Klägerin kommt die Steuerschuldnerschaft für sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers nicht in Betracht, wenn die Leistung in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 UStG unterlegen hat (vgl. § 13b Abs. 3 Nr. 1 UStG a. F.).
Entscheidung
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Eine Beförderungsleistung wird nach § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich eine Beförderung nicht nur auf das Inland, so ist nur der Teil der Leistung steuerbar, der auf das Inland entfällt (§ 3b Abs. 1 Satz 2 UStG). Da die Klägerin als Unternehmerin von im Ausland ansässigen Unternehmen Busse anmietete, liegen die Voraussetzungen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG grundsätzlich vor. Dies gilt aber nicht, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmens in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung unterlegen hat (§ 13b Abs. 3 Nr. 1 UStG a. F.). Unterlegen hat eine Leistung der Beförderungseinzelbesteuerung, wenn einmal eine Steuerpflicht gemäß § 16 Abs. 5 UStG bestand. Im Streitfall ist jeweils auf die gesamte Reise, die mehrere Tage oder mehrere Wochen dauerte, abzustellen, eine Aufspaltung in einzelne Reiseabschnitte wäre lebensfremd. Wurde also während einer Tournee einmal die Grenze zum Drittland überquert, so unterliegt die gesamte Reise der Beförderungseinzelbesteuerung.
Hinweis
Aktuell finden sich die für den Streitfall maßgebenden Vorschriften in § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 13b Abs. 5 UStG sowie in Abs. 6 Nr. 1 UStG. Nach § 13b Abs. 6 Nr. 1 UStG sind die Vorschriften der Steuerschuldnerschaft (§ 13b Abs. 1 bis 5 UStG) nicht anzuwenden, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers in einer Personenbeförderung besteht, die der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 UStG unterlegen hat. Auch nach Ansicht der Finanzverwaltung findet die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers in einer Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr mit nicht im Inland zugelassenen Kraftomnibussen besteht und bei der eine Grenze zum Drittland überschritten wird (vgl. Abschn. 13b.10 Abs. 1 UStAE).
Das Finanzgericht hat nun klargestellt, dass bei längerfristigen Inlandstourneen die Beförderungseinzelbesteuerung und damit nicht das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist, wenn während der einzelnen Tourneen einmal die Grenze vom Inland zum Drittlandsgebiet überquert worden ist. In diesen Fällen unterliegt nicht nur die Fahrt, welche die Grenzüberschreitung betrifft, der Beförderungseinzelbesteuerung. Einem Durchschnittsverbraucher, also einem durchschnittlichen Veranstalter, käme es nämlich ersichtlich nicht auf die Beförderung der Künstler für einzelne Fahrten, sondern darauf an, dass das Transportunternehmen die Beförderung auf der gesamten Reise übernimmt und dabei den Bus mit Fahrer zur Verfügung stellt. Die Aufspaltung in einzelne Reiseabschnitte einer Tournee wäre lebensfremd. Für den Ausschluss des § 13b UStG ist es auch unerheblich, ob die Umsatzsteuer, die auf die Beförderungseinzelbesteuerung entfällt, tatsächlich entrichtet worden ist oder ob der Unternehmer gemäß § 16 Abs. 5b UStG nachträglich zur allgemeinen Besteuerung optiert.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 13.11.2014, 14 K 2681/12