Leitsatz
In der Auszahlung von Kindergeld ohne einen Bewilligungsbescheid liegt kein Verwaltungsakt, mit dem eine Bewilligung von Kindergeld für die Vorzeit abgelehnt worden wäre.
Sachverhalt
Der Kläger beantragte im Juli 2000 für seine in den Jahren 1986 und 1999 geborenen Kinder die Gewährung von Kindergeld. Im Antrag gab er an, dass er Vietnamese sei und über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die BRD verfüge. Mit Kassenanordnung vom 19.7.2000 verfügte die Familienkasse die Kindergeldzahlung ab Juni 2000. Ein Bescheid erging nicht. Am 3.6.2008 beantragte der Kläger aufgrund der Entscheidung des BVerfG v. 6.7.2004 eine Nachzahlung des Kindergelds für den Zeitraum, in dem er nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügt hatte. Mit Bescheid v. 24.6.2008 lehnte die Familienkasse die Gewährung von Kindergeld für die Jahre 1996 bis Mai 2000 wegen abgelaufener Festsetzungsfrist ab. Nach erfolglosem Einspruch trägt der Kläger im Klageverfahren vor, dass er schon im Jahre 2000 einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe und ab Juni 2000 Kindergeld bewilligt worden sei. Die Familienkasse vertritt die Auffassung, dass die Ansprüche des Klägers verjährt seien. Durch die Auszahlung des Kindergel-des ab Juni 2000 sei für den Zeitraum davor eine Festsetzung bestandskräftig abgelehnt worden.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG hat die Familienkasse zu Unrecht die Festsetzung von Kindergeld für die beiden Kinder des Klägers für den Zeitraum Januar 1996 bis Mai 2000 abgelehnt. Sieht die Familienkasse in den Fällen des § 70 Abs. 1 S. 2 EStG a.F. von einem schriftlichen Bescheid ab, so setzt sie das Kindergeld in anderer Weise (d. h. formlos) fest. Zahlt die Familienkasse das Kindergeld tatsächlich aus, so ist in der ersten Auszahlung (Überweisung) des Kindergeldes und der Bekanntgabe des Auszahlungsbetrags die Festsetzung zu sehen. Nach diesen Grundsätzen hat die Familienkasse zwar für den (hier nicht streitigen) Zeitraum ab Juni 2000 das Kindergeld "in anderer Weise" festgesetzt. Für den streitbefangenen Zeitraum liegt aber keine Willensäußerung der Beklagten vor - auch nicht in konkludenter Form. Die Ansprüche sind auch nicht verjährt, da ein fristgerecht gestellter Antrag auf Zahlung von Kindergeld nach § 171 Abs. 3 AO eine Ablauf-hemmung auslöst. Im Streitfall hat der Kläger am 13.7.2000 bei der Familienkasse Kindergeld beantragt und diesem Antrag die Kopie einer Bescheinigung über die Aufenthaltserlaubnis vom 12.5.2000 beigefügt. Im Formularvordruck ist keine Rubrik für die Frage der zeitlichen Ausdehnung des beantragten Kindergeldes vorgesehen. Das FG hatte vor diesem Hintergrund den Antrag auszulegen. Im Interesse des Antragstellers hat dies in der Weise zu erfolgen, dass mit dem Antrag die maximale Festsetzung von Kindergeld erstrebt wird.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird unter dem Az. III R 2/10 beim BFH geführt. In vergleichbaren Fällen sollte daher gegen die Ablehnung des Kindergeldes Einspruch eingelegt und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verwiesen werden. Nach § 70 Abs. 1 EStG in der ab dem Jahr 2007 geltenden Fassung muss die Festsetzung des Kindergelds durch schriftlichen Bescheid erfolgen. Daraus folgt, dass Kindergeldansprüche für weiter zurückliegende Zeiträume nur im Einspruchsverfahren gegen den ergangenen Kindergeldbescheid geltend gemachte werden können.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 05.11.2009, 11 K 4246/08 Kg