Leitsatz
1. Die Zahlung der laufenden Kosten des von Ehegatten gemeinsam bewohnten Hauses durch den Alleinverdiener-Ehegatten stellt auch dann keine unentgeltliche Zuwendung i.S. des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO an den anderen Ehegatten dar, wenn das Haus im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht.
2. Ist der Alleinverdiener-Ehegatte zivilrechtlich verpflichtet, die Zins- und Tilgungsleistungen für das gemeinsam aufgenommene Darlehen vollständig zu begleichen, kommt es mangels Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu einer für eine Zuwendung erforderlichen Vermögensverlagerung.
3. Zahlt der Alleinverdiener-Ehegatte die übrigen laufenden Unterhaltskosten für das im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehende Haus, so handelt es sich um Unterhaltsleistungen nach §§ 1360, 1360a BGB.
Normenkette
§ 278 AO, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 421 Satz 1, § 422 Abs. 1 Satz 1, § 426, § 1360, § 1360a BGB
Sachverhalt
Die Klägerin, die keine eigenen Einkünfte erzielte, wurde im Streitjahr 2010 mit ihrem Ehemann zusammen zur ESt veranlagt. Die Eheleute wohnten gemeinsam mit ihren zwei minderjährigen Kindern in einem Einfamilienhaus. Ursprünglich waren sie hälftige Miteigentümer und hatten gemeinschaftlich im Jahr 2005 ein Darlehen zur Finanzierung aufgenommen. In 2007 übertrug der Ehemann seinen Miteigentumsanteil auf die Klägerin.
Auf Antrag der Klägerin erließ das FA einen Aufteilungsbescheid, wonach 100 % des rückständigen Betrags auf den Ehemann entfiel. Zugleich nahm das FA die Klägerin nach § 278 Abs. 2 AO i.H.v. 53.181,82 EUR in Anspruch, weil der Ehemann sämtliche Aufwendungen für das Einfamilienhaus, wie Zins- und Tilgung und sonstige laufende Kosten, in der Form von unentgeltlichen Zuwendungen an die Klägerin getragen habe.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage im Wesentlichen statt (FG Münster, Urteil vom 29.3.2017, 7 K 2304/14 AO, Haufe-Index 10851730, EFG 2017, 803). Die vom Ehemann gezahlten Finanzierungs- und sonstigen Hauskosten stellten eine entgeltliche Zuwendung dar. Der Ehemann habe als Gegenleistung für die Haushaltsführung der Klägerin gezahlt. Die finanziellen Leistungen des einen Ehegatten und die Haushaltsführung des anderen Ehegatten stellten grundsätzlich gleichwertige Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft dar. Dies gelte auch, wenn das Familienwohnheim im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehe.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Im Streitfall geht es um die Frage, ob und in welcher Höhe ein Ehegatte nach Ergehen eines Aufteilungsbescheids für die auf den anderen Ehegatten entfallende Steuer in Anspruch genommen werden kann, wenn dieser Ehegatte allein die laufenden Kosten des gemeinsam bewohnten Hauses getragen hat. In der Praxis dürften die Fälle häufiger vorkommen, in denen in der Ehe ein Partner ein höheres (oder das alleinige) Einkommen bezieht und entsprechend die Fixkosten für das Familienheim trägt.
Werden einem Steuerschuldner von einer mit ihm zusammen veranlagten Person in oder nach dem VZ, für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet, so kann der Empfänger gemäß § 278 Abs. 2 AO über den sich nach der Aufteilung ergebenden Betrag hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts dieser Zuwendung für die rückständigen Steuern in Anspruch genommen werden.
Im Streitfall konnte sich das FA nicht mehr auf die Übertragung der Miteigentumshälfte in 2007 berufen, weil die fraglichen Steuerrückstände einen späteren VZ betrafen. Es hätte rechtzeitig reagieren und die Übertragung anfechten können. Infrage gekommen wäre eine Anfechtung nach dem AnfG oder nach den geringeren Anforderungen des § 278 AO, wenn Steuerrückstände aus dem VZ 2007 (oder ggf. früher) betroffen gewesen wären (vgl. BFH, Beschluss vom 30.9.2010, VII B 61/10, BFH/NV 2011, 195; Müller-Eiselt, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 278 AO Rz. 28).
So richtete sich das Augenmerk des FA auf die Zahlungen des Ehemannes für das Familienheim (Zinsen, Tilgung, laufende Hauskosten), das allerdings ab 2007 allein seiner Ehefrau, der Klägerin gehörte.
Im Kern ging es um die Frage, ob unentgeltliche Zuwendungen an die Klägerin vorliegen. Das FG hat die Zuwendung bejaht, jedoch die Unentgeltlichkeit verneint. Die finanziellen Leistungen des einen und die Haushaltsführung des anderen Teils stellten grundsätzlich gleichwertige Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft dar. Dagegen verwahrte sich das FA und forderte eine Angemessenheits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Der BFH musste nicht darüber entscheiden, wie eine solche Prüfung in der Praxis erfolgen soll, weil er bereits das Vorliegen einer Zuwendung an die Klägerin verneint hat.
Indem der Ehemann der Klägerin Zinsen und Tilgung auf das gemeinsam aufgenommene Darlehen zahlte, leistete er auf seine eigene Schuld. Dazu war er als Darlehensnehmer und Gesamtschuldner gemäß § 421 Satz 1 BGB im Außenverhältnis gegenüber der Bank verpflichtet. ...