Dipl.-Finanzwirt (FH) Jens Keese
Leitsatz
1. Von einem Transportunternehmen eingesetzte Fahrer fehlt es an der Unternehmereigenschaft, wenn sich ihre Pflichten nach den zugrunde liegenden "Subunternehmerverträgen" nur unwesentlich von denjenigen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses unterscheiden.
2. Unter dem Gesichtspunkt der Aufkommensneutralität der Umsatzsteuer ist es dennoch in Betracht zu ziehen, dem Transportunternehmen den Vorsteuerabzug aus den von den "Subunternehmern" (Fahrern) erteilten Rechnungen im Billigkeitswege zuzuerkennen oder ihm einen Erlass in entsprechender Höhe zuzubilligen.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Kleintransportunternehmen mit vier eigenen LKW-Fahrzeugen. Die drei eingesetzten Fahrer gingen im Einvernehmen mit der Klägerin davon aus, dass sie selbständige Unternehmer seien. Nach dem Subunternehmervertrag hat der Fahrer werktäglich zur vereinbarten Zeit bei der Klägerin anzurufen und entsprechend den Vorgaben mit dem Abholen bei den benannten Kunden zu beginnen. Die Auslieferungen in die festgelegten Touren erfolgt ausschließlich nach Übernahme des letzten Packstückes auf direktem Weg zum Empfänger. Den Abschluss der Auslieferung hat der Fahrer unverzüglich nach Beendigung der Tour telefonisch mitzuteilen. Für seine Leistungen erhält der Fahrer ein Beförderungsentgelt von 110 DM pro Tag, das monatlich abzurechnen ist. Bei besonders wichtigen Aufträgen kann die Klägerin besondere (zusätzlich abzurechnende) Einsatzleistungen verlangen. Der Subunternehmer hat die Leistungen grundsätzlich persönlich zu erbringen. Urlaub muss vier Wochen vor Antritt der Klägerin mitgeteilt werden. Während der Vertragsdauer und in den folgenden zwölf Monaten haben sich die Fahrer jeglicher Konkurrenztätigkeit zu enthalten.
Das Finanzamt gelangte zu dem Ergebnis, dass die Fahrer Arbeitnehmer und nicht Unternehmer seien. Dementsprechend schulden die Fahrer die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG, der Klägerin wurde der Vorsteuerabzug aus den Abrechnungen mit ihren Fahrern -teilweise noch in der Einspruchsentscheidung - versagt.
Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage führt die Klägerin aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen ihrer Fahrer stehe ihr zu, weil diese entgegen der Auffassung des Beklagten selbständige Unternehmer seien.
Entscheidung
Das Finanzamt hat den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der so genannten Subunternehmer nach Ansicht des FG zu Recht versagt, weil diese keine Unternehmer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG waren. Für die Betrachtung der Fahrer als Arbeitnehmer spricht, dass die Fahrer die Transportfahrzeuge von der Klägerin gestellt bekommen, dass sie sich die Fahraufträge nicht selbst beschaffen, sondern täglich feste, von der Klägerin vorgegebene Touren fahren müssen, dass sie ihre Arbeit nicht auf Dritte delegieren dürfen und dass sie auch nicht berechtigt sind, einen eigenen Fahrer für diese Tour einzusetzen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Fahrer aufgrund der Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin und des bestehenden Wettbewerbsverbots in den Streitjahren offenbar ausschließlich für die Klägerin tätig geworden sind und nicht gleichzeitig auch Fahraufträge für andere Personen abgewickelt haben. Die Fahrer waren vertraglich verpflichtet, ihre Urlaubsplanung auf die Bedürfnisse der Klägerin auszurichten. Die Fahrer erhielten ein monatlich abzurechnendes tägliches Beförderungsentgelt von 110 DM und hatten unter den gegebenen Umständen keine Möglichkeit, die Höhe ihres Verdienstes wie ein Unternehmer zu beeinflussen.
Nach alledem treten die gegen eine Arbeitnehmereigenschaft sprechenden Merkmale (kein Anspruch auf bezahlten Urlaub, keine Zahlungen bei Krankheit, keine Altersvorsorge oder sonstige Sozialleistungen) im Rahmen der vom Finanzamt durchgeführten Gesamtabwägung zurück. Beim Vorsteuerabzug findet ein Gutglaubensschutz hinsichtlich der Unternehmereigenschaft des Leistenden nicht statt.
Das FG hält jedoch den Hinweis für geboten, dass sich bei dem gegebenen Sachverhalt und unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des EuGH und des sogenannten Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer die Überlegung aufdrängt, die Zuerkennung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitswege oder durch einen Erlass in entsprechender Höhe ernsthaft in Betracht zu ziehen. Es verweist insoweit auf die Erlasse anderer Bundesländer, insbesondere den Erlass des FinMin Baden-Württemberg vom 27.8.1988 - 3-S 233.0. Mit der neueren, eine Rechnungskorrektur zulassenden Rechtsprechung, sofern das Gleichgewicht von Umsatzsteuer- und Vorsteuerabzug gewahrt wird, ist es insoweit nicht in Einklang zu bringen, wenn ein und dasselbe Finanzamt, das sowohl für die Besteuerung der Klägerin zuständig ist, als auch die Fahrer der Klägerin der Umsatzsteuer unterworfen hat, in Kenntnis dieser Zusammenhänge aufgrund der Umsatzsteuersonderprüfungen bei der Klägerin und bei dem Fahrer C, der Klägerin den Vorsteuerabzug versagt und zudem an der Umsatzbesteuerung der Fahrer festhält.
Hinweis
Das Sächsische FG verneint ...