Leitsatz
Stellt ein Großhandelsunternehmen seine werbende Tätigkeit ein und vermietet es sein bisheriges Betriebsgrundstück an ein anderes Unternehmen, so scheitert die Annahme einer Betriebsverpachtung nicht bereits daran, dass das mietende Unternehmen einer anderen Branche angehört. An der im Senatsurteil vom 26.6.1975, IV R 122/71 (BStBl II 1975, 885) geäußerten Auffassung wird nicht mehr festgehalten.
Normenkette
§ 16 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Eine OHG hatte ihren Großhandelsbetrieb 1980 eingestellt. Das Betriebsgrundstück war seither an eine Druckerei vermietet, die berechtigt war, kleine bauliche Umgestaltungen vorzunehmen. Mit ihren Gewinnfeststellungserklärungen bis einschließlich 1994 legte die OHG weiterhin Jahresabschlüsse vor und erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 1997 wurde mit der Gewinnfeststellungserklärung für 1995 ein Aufgabegewinn erklärt, der sich im Wesentlichen aus dem Entnahmegewinn des Betriebsgrundstücks ergab.
Das FA war der Auffassung, die Aufgabe sei mit Abgabe der Erklärung im Jahr 1997 erfolgt, und erfasste den geschätzten Aufgabegewinn im Gewinnfeststellungsbescheid 1997.
Im Einspruchsverfahren machte die OHG geltend, es sei kein Aufgabegewinn zu erfassen, weil bereits 1980 eine Zwangsbetriebsaufgabe stattgefunden hätte.
Entscheidung
Weder Klage noch Revision hatten Erfolg. Da die OHG 1980 eine Aufgabe des Betriebs nicht erklärt habe und die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung im Ganzen vorgelegen hätten, sei es erst 1997 zur Betriebsaufgabe gekommen. Die Vermietung des Betriebsgrundstücks an ein branchenfremdes Unternehmen führe jedenfalls dann nicht zur Betriebsaufgabe, wenn das Grundstück nur so geringfügig umgestaltet werden könne, dass es für den ursprünglichen Zweck weiter nutzbar sei, und kein Beweisanzeichen dafür vorliege, dass die Absicht zur Fortsetzung des aktiven Betriebs entfallen sei.
Hinweis
1. Die Einstellung der werbenden Tätigkeit eines Betriebs hat nicht zwangsläufig zur Folge, dass der Betrieb aufgegeben wird. Behält der Unternehmer die wesentlichen Betriebsgrundlagen und überlässt er sie einem anderen Unternehmer zur Nutzung, kann er wählen, ob er den Betrieb aufgeben will. Erklärt er die Betriebsaufgabe, sind die stillen Reserven sofort zu versteuern. Wird keine ausdrückliche Aufgabeerklärung abgegeben, bleibt der Gewerbebetrieb in Gestalt eines Verpachtungsbetriebs weiter bestehen. Das Wahlrecht zur Betriebsaufgabe kann später jederzeit ausgeübt werden.
2. Das Wahlrecht setzt voraus, dass der Betrieb in einem Zustand überlassen wird, der dem Nutzenden die Fortführung des Betriebs und dem Überlassenden nach Ablauf der Miete oder Pacht die Wiederaufnahme des aktiven Betriebs ermöglicht. Danach würde die Vermietung eines Betriebsgrundstücks für sich genommen nicht ausreichen. Trotzdem hat der BFH bei Handelsbetrieben, deren wesentliche Betriebsgrundlage das Betriebsgrundstück ist, dessen Vermietung nach Verkauf des Umlaufvermögens und der Einrichtung für ausreichend gehalten. Entscheidend ist für ihn nur, ob objektiv nach Ablauf des Mietvertrags der ehemalige Betrieb mit neuem Umlaufvermögen und neuer Einrichtung wieder aufgenommen werden könnte. Deshalb dürfen Umbaumaßnahmen, die eine Wiederaufnahme beeinträchtigen würden, nicht vorgenommen werden.
Welcher Branche das mietende Unternehmen angehört, kann danach keine Bedeutung haben, sofern größere Umbaumaßnahmen unterbleiben. Dennoch hatte der BFH 1975 eine branchennahe Vermietung gefordert. Diese Rechtsprechung wird mit dem hiesigen Urteil ausdrücklich aufgegeben.
3. Beachten Sie, dass Voraussetzung für eine Betriebsverpachtung nicht subjektiv der Wille zur späteren Wiederaufnahme des Betriebs ist. Dieser Wille wird vermutet, wenn die objektive Möglichkeit zur Wiederaufnahme besteht. M.E. kommt es auf den Willen zur Wiederaufnahme überhaupt nicht an.
4. Denken Sie außerdem daran, dass nach Übergang zur Betriebsverpachtung das Wahlrecht nur mit Wirkung für die Zukunft ausgeübt werden kann. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Betriebsaufgabe gegenüber dem FA klar und unmissverständlich erklärt wird. Wird das Wahlrecht mit der Steuererklärung durch Ausweisen eines Aufgabegewinns ausgeübt, wirkt die Erklärung nicht für den betreffenden Veranlagungszeitraum, sondern in dem Jahr, in dem die Steuererklärung abgegeben wird. Zwischenzeitliche Wertveränderungen werden also noch berücksichtigt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.8.2003, IV R 20/02