Leitsatz
Die rückwirkende Besteuerung echter Wohnmobile ab dem 1.1.2006 nach den mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der Kraftfahrzeugsteuer v. 21.12.2006 eingeführten besonderen Tarifen ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig.
Sachverhalt
Hintergrund: Für ein durch Selbstzündungsmotor angetriebenes Wohnmobil mit einem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht von 3.400 kg hatte das Finanzamt ursprünglich einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid nach den Tarifen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG festgesetzt. Grundlage für die Anwendung dieses Tarifes war die Einstufung von Wohnmobilen mit mehr als 2.800 kg zulässigem Gesamtgewicht als "anderes Fahrzeug" i. S. d. § 8 Nr. 2 KraftStG. Hintergrund für die Gewichtgrenze von 2.800 kg war der bis zum 30.4.2005 geltende § 23 Abs. 6a StVZO. Mit dem Wegfall dieser Norm hätten Wohnmobile als Fahrzeuge der Klasse M als Pkw i. S. d. § 8 Nr. 1 KraftStG (Fassung bis 30.6.2009) nach Hubraum sowie Schadstoff- und Kohlendioxidemission besteuert werden müssen. Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des KraftStG ist jedoch eine eigene Fahrzeugart "Wohnmobile" (§ 8 Nr. 1a KraftStG) mit eigenen Tarifen (§ 9 Nr. 2a KraftStG) geschaffen worden. Durch die gleichzeitig geschaffene besondere Anwendungsregelung (§ 18 Abs. 5 KraftStG) hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass die ungünstigere Besteuerung als Pkw für Wohnmobile mit mehr 2.800 kg zulässigem Gesamtgewicht als nicht zur Anwendung kommt. Bis zum 31.12.2005 waren Wohnmobile i. S. d. § 2 Abs. 2b KraftStG mit einem zulässigen Gesamtgewicht weiter nach dem gewichtsorientierten Tarif für andere Fahrzeuge besteuert worden und damit günstiger als z. B. Geländewagen über 2.800 kg zulässigem Gesamtgewicht, die seit mit Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO zum 30.4.2005 nach den - ungünstigeren - hubraumorientierten Pkw-Tarifen besteuert werden. Auch die ab 1.6.2006 anzuwendenden gewichtsorientierten Tarife für Wohnmobile sind deutlich günstiger als die hubraumorientierten Tarife für entsprechend motorisierte Pkw oder Geländewagen.
Im Urteilsfall hat das Finanzamt entsprechend die Steuerfestsetzung für ein betroffenes Wohnmobil zum 1.1.2006 geändert und sich hier der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG bedient.
Entscheidung
Das Niedersächsische Finanzgericht ist in seiner Entscheidung den Überlegungen des Gesetzgebers bei der Konzeption des Übergangs nach Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO gefolgt. Damit wird deutlich, dass insbesondere die Anliegen der Halter von Wohnmobilen vom Gesetzgeber bei Konzeption des Dritten Gesetzes zur Änderung des KraftStG wohlwollend berücksichtigt worden sind, anders als die der Halter von Geländewagen, Büro- und Konferenzmobilen oder bestimmten Mehrzweckfahrzeugen. Für all diese Fahrzeuge kam mit Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO - aus dem die Gewichtsgrenze von 2.800 kg abgeleitet worden war - nach dem zu diesem Zeitpunkt gültigen KraftStG nur eine Besteuerung als Pkw nach den Tarifen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG (Fassung bis 30.6.2009) in Betracht. Die Halter entsprechender Fahrzeuge konnten mit Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO in jedem Falle von einer empfindlichen Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer ausgehen. Wie deutlich dieser Umstand war, ließ sich an den Aktivitäten der entsprechenden Interessenvertreter und auf den einschlägigen Internetseiten sehr deutlich erkennen. Entsprechend handelt es sich bei der Anwendung der durch das am 21.12.2006 verkündete Dritte Gesetz zur Änderung des KraftStG eingefügten "Wohnmobiltarife" (§ 2 Abs. 2b KraftStG) ab dem 1.1.2006 zwar um eine Rückwirkung, aber um eine unechte und damit verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung.
Auch bei der Auslegung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG folgt der Senat den Gedanken des Gesetzgebers. Diese Norm ermöglicht dem Finanzamt gerade eine Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung ohne Rücksicht auf dessen Unanfechtbarkeit oder die allgemeinen Vorschriften der AO zu ändern, wenn sich der Steuersatz, wie z.B. hier durch eine gesetzlich vorgegebene neue Einordnung eines Fahrzeugs, innerhalb des Entrichtungszeitraums ändert. Nur so kann bei der im Voraus festgesetzten und erhobenen Kraftfahrzeugsteuer gewährleistet werden, dass für alle Fahrzeuge, unabhängig vom zufälligen Beginn des Entrichtungszeitraums, die Steuer in derselben Höhe festgesetzt werden kann.
Hinweis
Für die Praxis kann angesichts der schlüssigen und auch dem Willen des Gesetzgebers folgenden Rechtsprechung den Haltern von Kraftfahrzeugen, die von einer Tariferhöhung betroffen sind, geraten werden, alle Anzeichen für Rechtsänderungen sorgfältig zu prüfen. Hierbei bedarf es keines Studiums der Bundestagsdrucksachen. Die Interessenverbände und Internetplattformen informieren stets eilfertig über jede drohende Verschlechterung für ihre Klientel. Bei ernsthafter Sorge kann darüber hinaus auch steuerrechtliche Fachliteratur zu Rate gezogen werden. In jedem Falle bleibt - so gewollt - genügend Zeit, sich von dem nun höher besteuerten Kraftfahrzeug zu trennen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG...