Für die Übertragung des Bedarfsfreibetrags gibt es 2 Alternativen:
a) Bei Übertragung des Kinderfreibetrags:
Wegen mangelnder Erfüllung (= zu weniger als 75 %) der Unterhaltspflicht durch den anderen Elternteil oder wegen fehlender Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit beantragt der eine Elternteil die Übertragung des dem anderen zustehenden Kinderfreibetrags.
Im Falle der Übertragung des Kinderfreibetrags folgt nach Ansicht der Finanzverwaltung der Bedarfsfreibetrag bisher stets dem Kinderfreibetrag, d. h., auch wenn das Kind bei dem den Kinderfreibetrag abgebenden Elternteil gemeldet oder volljährig ist.
In Anlehnung an den eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG lehnte der BFH dagegen eine automatische Mitübertragung bei volljährigen Kindern ab. Als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung ist die automatische Mitübertragung des Bedarfsfreibetrags – unabhängig von Voll- oder Minderjährigkeit – durch Ergänzung des 2. Halbsatzes in § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG mit Wirkung ab VZ 2021 nun ausdrücklich gesetzlich geregelt. Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt daher stets auch zur Übertragung des Bedarfsfreibetrags. Ein Widerspruch des anderen Elternteils gegen die automatische Übertragung nach § 32 Abs. 6 Satz 6 2. Halbsatz EStG ist nicht möglich.
Die o. g. BFH-Urteile sind durch die Gesetzesänderung nur noch für Fälle von Bedeutung, die VZ vor 2021 betreffen.
b) Mit Antrag:
Ist das Kind im VZ nur bei einem Elternteil gemeldet, wird der Bedarfsfreibetrag auf Antrag auf ihn übertragen (= meldebedingte Übertragung). Die meldebedingte Übertragung ist nur bei minderjährigen Kindern möglich. Danach kann die Übertragung des halben Bedarfsfreibetrags des anderen Elternteils für diejenigen Monate beantragt werden, in denen das Kind ganz oder teilweise minderjährig war. Die meldebedingte Übertragung setzt zudem voraus, dass das Kind im gesamten VZ bzw. in den Monaten, für die ein Bedarfsfreibetrag abgezogen wird, nicht mindestens einen Tag beim anderen Elternteil gemeldet war und die Voraussetzungen nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorgelegen haben. Es muss jedoch bei dem Elternteil gemeldet sein, der die Übertragung beantragt. Maßgeblich sind die Eintragungen, die sich aus dem Melderegister ergeben. Abzustellen ist dabei auf den Tag des Eingangs der melderechtlichen An- oder Ummeldung. Eine nach Ablauf des VZ vorgenommene, nachträgliche Ab- oder Ummeldung ist unbeachtlich. Die Übertragung hängt nicht davon ab, dass der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht verletzt oder der Übertragung zugestimmt hat. Bei minderjährigen Kindern ist die isolierte Übertragung des Bedarfsfreibetrags also auch weiterhin antragsgemäß möglich, wenn die Übertragungsvoraussetzungen erfüllt sind und der Kinderfreibetrag nicht übertragen wird. Ist das Kind bei beiden Elternteilen oder keinem Elternteil gemeldet, ist die Übertragung ausgeschlossen.
Die Übertragung scheidet dann aus, wenn der betroffene Elternteil dem Antrag des betreuenden Elternteils widerspricht, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Die Entscheidung über den Widerspruch wird in der ESt-Festsetzung getroffen und nicht in einem eigenen Verwaltungsakt. Eine nicht unwesentliche Betreuung liegt vor, wenn der Elternteil das Kind nach einem – üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten – weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge mit einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % betreut. Bei der zeitlichen Betrachtungsweise zählen auch einzelne Betreuungstage mit, wenn die Betreuungszeit zwar nicht die vollen 24 Stunden eines Tages umfasst, aber deutlich mehr als 12 Stunden beträgt und über reine Besuchszwecke hinausgeht (im Urteilsfall jeweils an den Wochenenden von Samstag 10 Uhr bis Sonntag 16 Uhr).
Der zeitliche Betreuungsanteil kann im Ausnahmefall die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % unterschreiten, wenn z. B. eine große Entfernung zwischen den Wohnorten des Kindesvaters und der Kindesmutter, bei der das Kind lebt, besteht (im Urteilsfall 163 km einfache Entfernung).
Nachdem das FG Rheinland-Pfalz urteilte, dass die Übertragung des Bedarfsfreibetrages auch dann begründet sein kann, wenn sich das Kind in räumlicher Nähe zum widersprechenden Elternteil bei nahen Verwandten aufhält und eine Prüfung der Betreuungsleistungen wegen der polarisierten familiären Situation nicht bewerkstelligt werden kann, beschäftigt sich nun der BFH mit der Frage, ob einem Elternteil (ohne sein Zutun erbrachte) Betreuungsleistungen Dritter (im Streitfall die Großeltern als nahe Familienangehörige) zugerechnet werden kann, mit der Folge, dass dieser Elternteil der Übertragung des Bedarfsfreibetrag auf den anderen Elternteil widersprechen kann.
Der Antrag des betreuenden Elternteils auf Übertragung des Freibetrags stellt ei...