Grundsätzliches
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG muss das Kind wegen seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten (Ursächlichkeit der Behinderung).
Die Anwendung dieser Vorschrift erfordert 2 Feststellungen, nämlich
- zum einen, dass das Kind außerstande (nicht in der Lage) ist, sich selbst zu unterhalten, und
- zum anderen, dass die Behinderung in erheblichem Maß mit die Ursache für das Außerstandesein zum Selbstunterhalt ist.
Außerstandesein zum Selbstunterhalt
Zur Entscheidung, ob das – erwachsene – Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, müssen 2 Rechengrößen ermittelt werden, und zwar
Übersteigt der Betrag des notwendigen Lebensbedarfs die Summe der finanziellen Mittel des Kindes (= Unterdeckung), ist das Kind außerstande, sich selbst zu unterhalten. Übersteigt die Summe der finanziellen Mittel des Kindes den Betrag des gesamten Lebensbedarfs (Überdeckung), ist das Kind nicht außerstande, sondern imstande, sich selbst zu unterhalten. Somit ist es nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen.
Falls die kindeseigenen Mittel den notwendigen Lebensbedarf überschreiten und ungleichmäßig zufließen, ist zu prüfen, ab welchem Monat das Kind imstande ist, sich selbst zu unterhalten (Anwendung des Monatsprinzips). Bei gleichbleibenden monatlichen Einnahmen und einem monatlich gleichbleibenden behinderungsbedingten Mehraufwand während des gesamten Kalenderjahres führt die Jahresberechnung jedoch zu demselben Ergebnis wie eine Monatsberechnung. Aus Vereinfachungsgründen ist deshalb eine Monatsberechnung nur dann durchzuführen, wenn ein außerordentlicher Sonderbedarf gegeben ist bzw. unregelmäßig anfallende Einnahmen (z. B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) zugeflossen sind. Monatlich wiederkehrende Einkünfte und Bezüge sind nach dem Zuflussprinzip zu erfassen. Kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats zugeflossene Beträge sind daher im bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen.
Bezieht ein volljähriges Kind mit Behinderung als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, können die von dem Kind erzielten Einkünfte und Bezüge bei der Ermittlung der den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zustehenden Leistungen bedarfsbezogen auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach den sozialrechtlichen Regelungen verteilt werden. Um einen Ansatz von Einkünften zu vermeiden, die nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kindes entsprechen, sind entweder die übrigen Einkünfte und Bezüge des Kindes auch kindergeldrechtlich nur in der Höhe anzusetzen, wie sie ihm sozialrechtlich als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet werden, oder die Leistungen nach dem SGB II in der Höhe zu berücksichtigen, wie sie dem Kind zustünden, wenn die von ihm erzielten Einkünfte und Bezüge ausschließlich ihm zugerechnet würden.
Jährlich anfallende Einnahmen sind auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden 11 Monate zu verteilen. Eine für einen vergangenen Zeitraum geleistete Nachzahlung von Arbeitslosengeld II ist als Bezug des behinderten Kindes zu berücksichtigen und auf den Zuflussmonat und die restlichen Monate des Zuflussjahres zu verteilen.
Behinderungsbedingter Sonderbedarf, der nicht jeden Monat anfällt, ist nicht ausschließlich dem Monat zuzuordnen, in dem die Kosten angefallen sind.
Soweit in diesen Monaten die finanziellen Mittel höher sind als der Betrag des Lebensbedarfs, ist das volljährige Kind in diesen Monaten nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten. Demzufolge besteht für diese Monate kein Kindergeldanspruch. Allerdings ist der Monat der Änderung der Verhältnisse ggf. wie ein Teilmonat zu behandeln, für den dann Kindergeldanspruch besteht.
Das Elterngeld, das ein behindertes Kind wegen der Betreuung und Erziehung seines eigenen Kindes erhält, gehört in vollem Umfang zu den Bezügen, die zur Bestreitung des Grundbedarfs des behinderten Kindes geeignet sind. Die Schmerzensgeldrente, die ein behindertes Kind bezieht, ist nicht als Bezug zur Bestreitung des Grundbedarfs anzusetzen. Die "Contergan-Rente" eines volljährigen behinderten Kindes ist ebenfalls nicht als Bezug zu berücksichtigen, mit dem der allgemeine Lebensbedarf zu bestreiten ist.
Eine nach § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) an das Kind gezahlte Rente gehört nicht zu seinen einzusetzenden finanziellen Mitteln.
Allein aus dem Umstand, dass der Sozialleis...