Das Erfordernis, für den Kindergeldanspruch eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzen zu müssen, gilt nicht für Staatsangehörige der EU- bzw. EWR-Staaten oder der Schweiz und ihre Familienangehörigen, soweit ihre Rechtsstellung vom Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist. Staatsangehörige von Drittstaaten können unter Beachtung des Freizügigkeitsgesetz/EU als Familienangehörige eines Staatsangehörigen der EU- bzw. EWR-Staaten bzw. der Schweiz, der selbst freizügigkeitsberechtigt ist, ebenfalls freizügigkeitsberechtigt sein.
2.7.3.1 Freizügigkeitsgesetz
Nach § 2 Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU sind gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt u. a. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung in einem anderen EU-Staat aufhalten wollen (freizügigkeitsberechtigte Ausländer). Grundsätzlich ist bei Staatsangehörigen der EU- bzw. EWR-Staaten und der Schweiz von der Freizügigkeitsberechtigung auszugehen.
Es bestehen keine begründeten Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung des Berechtigten, wenn ein minderjähriges Kind eines ehemalig beschäftigten Staatsangehörigen der EU- bzw. EWR-Staaten oder der Schweiz über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) 492/2011 verfügt, weil es im Inland für einen Beruf ausgebildet wird. Die Feststellung der fehlenden Freizügigkeit von Unionsbürgern, die den Kindergeldanspruch ausschließen kann, obliegt nur den Ausländerbehörden.
2.7.3.2 Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 EStG
Freizügigkeitsberechtigte Ausländer müssen nicht zusätzlich ein Erfordernis nach § 62 Abs. 2 EStG erfüllen.
Zur Europäischen Union (EU) bzw. zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehören neben der Bundesrepublik Deutschland folgende Staaten:
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
Britische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz bereits vor dem 1.1.2021 in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat begründet haben, stehen nach dem Austrittsabkommen einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger gleich. Wurde der inländische Wohnsitz hingegen erst nach dem 31.12.2020 begründet, müssen die Voraussetzungen von § 62 Abs. 2 EStG erfüllt sein.
Das Erfordernis, einen der in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstitel besitzen zu müssen, gilt auch nicht für Arbeitnehmer aus Staaten, mit denen zwischenstaatliche Abkommen bestehen.
Abkommensstaaten sind: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Marokko, Montenegro, Serbien, Türkei und Tunesien.
Arbeitnehmer sind in diesem Zusammenhang insbesondere
- Personen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis einschließlich der Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld (Angestellte), Beamte, Rentner, Studenten, (freiwillig weiterversicherte) Selbstständige;
- Bezieher von Arbeitslosengeld I;
- Personen, die Geldleistungen der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit erhalten.
Personen, die lediglich eine geringfügige Beschäftigung ausüben, gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne der Abkommen.
2.7.3.3 Beispielsfälle aus der Rechtsprechung
Ein Staatsbürger des Staates Bosnien und Herzegowina, der sich ausländerrechtlich geduldet mit seinen Kindern im Inland aufhält und eine Rente der Berufsgenossenschaft wegen eines Arbeitsunfalls bezieht, ist kein Arbeitnehmer i. S. d. zwischenstaatlichen Abkommens mit dem früheren Jugoslawien. Er hat daher keinen Anspruch auf Kindergeld.
Aus dem früheren Jugoslawien stammende, geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer, für die der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsbeiträge abführt, haben keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem früheren Jugoslawien.
Für türkische Arbeitnehmer ergibt sich ein Anspruch auf Kindergeld ferner aus dem Beschluss des Assoziationsrates v. 19.9.1980. Für Arbeitnehmer aus Algerien, Marokko und Tunesien ergibt sich der Kindergeldanspruch auch aus den Assoziationsabkommen, die die EG mit diesen Staaten geschlossen hat. Hier ist – im Gegensatz zu den zwischenstaatlichen Abkommen – der Arbeitnehmerbegriff der Verordnung (EWG) 1408/71 anzuwenden. Arbeitnehmer sind danach z. B. Angestellte, Beamte, Rentner, Studenten und (freiwillig weiterversicherte) Selbstständige.
Für türkis...