Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Auf Grund der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 bedarf es für die Berücksichtigung eines Kindes als Pflegekind auch bei einer Betreuung im Rahmen der so genannten Familienvollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) der Prüfung des Einzelfalls, ob die den Pflegeeltern entstandenen – und grundsätzlich nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen der Pflegeeltern zu berücksichtigenden – Unterhaltskosten (einschließlich der Kosten für die Betreuung, Ausbildung und Erziehung) die Aufwandserstattungen (z.B. Pflegegeld) mit der Folge überschreiten, dass die Pflegeeltern zumindest 20 % – und damit einen nicht unwesentlichen Teil (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996) – der gesamten (angemessenen) Unterhaltskosten des Pflegekindes tragen.
Normenkette
§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger beantragte Kindergeld für zwei Kinder, die er in seine Familie aufgenommen hatte und in Vollzeitpflege betreute. Für die Kinder erhielt er Pflegegeld, das neben dem Ersatz der materiellen Aufwendungen, (741 DM je Kind und Monat) einen Erziehungsbeitrag in Höhe von monatlich 1099 DM (1997) und 1263 DM (ab 1998) je Kind betrug.
Der Beklagte lehnte den Antrag ab; er vertrat die Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld habe. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, dass ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliege, der Kläger die Kinder wie leibliche Kinder versorge und davon auszugehen sei, dass er die Kinder wegen der nicht ausreichenden Kinderpflegesätze zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhalten habe (DStRE 2000, 690).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf. Die bisherige pauschalierende Form der Ermittlung der Unterhaltsleistungen der Pflegeeltern sei nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 nicht mehr fortzuführen; es bedürfe vielmehr der Prüfung des Einzelfalles, ob die den Pflegeeltern entstandenen Unterhaltskosten die Aufwandserstattungen (z.B. Pflegegeld) in signifikanter Weise überschritten.
Das sei dann der Fall, wenn die Pflegeeltern zumindest 20 % der gesamten (angemessenen) Unterhaltskosten des Pflegekindes trügen. Bei einem die Unterhaltskosten deckenden Aufwendungsersatz sei Kindergeld nicht zu gewähren. Unterhaltskosten in diesem Sinne seien nur die tatsächlichen Aufwendungen der Pflegeeltern, nicht dagegen die von diesen erbrachten Betreuungs- und Erziehungsleistungen. Ohne diese Leistungen deckten die Pflegegelder aber regelmäßig die Unterhaltskosten ab. Zur Ermittlung des den Pflegeeltern entstandenen tatsächlichen Aufwands verwies der BFH die Sache an das FG zurück.
Hinweis
§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG definiert Pflegekinder als Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige sie mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält. Wann ein Kind zu "einem nicht unwesentlichen Teil auf Kosten des Steuerpflichtigen unterhalten" wird, hat die Rechtsprechung bisher danach bestimmt, ob die Pflegeeltern zumindest etwa 20 % der gesamten Unterhaltskosten des Pflegekindes tragen. Das wiederum ist regelmäßig bejaht worden, wenn die Pflegeeltern bei Vollzeitfamilienpflege nur Pflegegelder nach § 33 i.V.m. § 39 SGB VIII erhielten.
Diese Rechtsprechung hat der BFH mit dem vorliegenden Urteil geändert. Zwar ist es bei der 20 %-Grenze geblieben. An die Stelle der pauschalierenden Annahme, die Pflegegelder würden die Unterhaltskosten nicht hinreichend abdecken und die Pflegeeltern 20 % der Unterhaltskosten selbst tragen, tritt aber nunmehr die Verpflichtung zur Ermittlung der tatsächlichen Aufwendungen und der jeweiligen tatsächlichen Erstattungsleistungen im Einzelfall. Damit verschärft die Rechtsprechung die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs auch gegenüber der bisherigen Verwaltungsregelung (Abschn. 62.2.2.5 der DA-FamEStG, BStBI I 2002, 369, 386).
Zu beachten ist, dass die neue Rechtsprechung zwar hinsichtlich der Verpflichtung zur Ermittlung der tatsächlichen Kostenbelastung uneingeschränkt auch für die Zukunft gilt, dass der Umfang der berücksichtigungsfähigen Unterhaltsaufwendungen aber inzwischen erweitert wurde. Mit Wirkung vom 1.1.2000 hat der Gesetzgeber auch den Betreuungsbedarf des Kindes (§ 32 Abs. 6 Sätze 1 – 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Familienförderung, BStBI I 2000, 4) und mit Wirkung vom 1.1.2002 alle Kosten im Zusammenhang mit der Betreuung, Erziehung und Ausbildung des Kindes (§ 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG i.d.F. des 2. Gesetzes zur Familienförderung, BStBI I 2001, 533) als berücksichtigungsfähigen Aufwand anerkannt. Für den vorausgehenden Zeitraum bleibt es dabei, dass kalkulatorische Kosten – wie die Betreuung des Kindes und andere Dienstleistungen der Pflegeeltern – nicht als eigene Leistung der Pflegeeltern im Rahmen der 20 %-Grenze anerkannt werden können.
Ohne diese kalkulatorischen Kosten dürften die – von d...