Leitsatz
Ausländische Staatsangehörige, die vor dem 01.04.1999 eine Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals oder des dienstlichen Hauspersonals einer Botschaft aufgenommen haben und nicht im Besitz eines ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels sind, haben Anspruch auf Kindergeld, wenn sie einen vom Auswärtigen Amt ausgestellten "gelben Ausweis" besitzen und hinsichtlich der Sozialversicherungs- sowie der ESt-Pflicht als ständig ansässig behandelt worden sind.
Normenkette
§ 62 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, der vorher keinen Wohnsitz im Inland hatte, arbeitete seit 1994 bei einer Botschaft. Er entrichtete Sozialversicherungsbeiträge und war Inhaber eines "gelben Ausweises" sowie eines Dienstvisums.
Die Familienkasse versagte den Kindergeldanspruch, da der Kläger nach dem WÜD als nicht Ansässiger von der ESt befreit sei. Das FG verpflichtete die Familienkasse zur Zahlung von Kindergeld.
Entscheidung
Der BFH stellte den "gelben Ausweis" im Weg der Analogie einer zu einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltsbefugnis gleich und bestätigte den Kindergeldanspruch. Er stellte lediglich den Tenor des FG-Urteils dahingehend richtig, dass nicht die Familienkasse zur Gewährung des Kindergelds zu verpflichten war, sondern dass über den Kindergeldantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH erneut zu entscheiden war.
Hinweis
§ 62 Abs. 2 EStG i.d.F. ab 2006, der auf alle noch nicht bestandskräftigen Kindergeldfestsetzungen anwendbar ist, verlangt für den Bezug von Kindergeld eine Niederlassungserlaubnis (Nr. 1) oder – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – eine Aufenthaltserlaubnis, die zu einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat (Nr. 2).
Diese Aufenthaltstitel beziehen sich auf das seit 2005 geltende AufenthG. Für davorliegende Zeiträume galt das AuslG. Die Aufenthaltsgenehmigungen nach dem AuslG sind entsprechend den Fortgeltungsregelungen des AufenthG als Aufenthaltstitel i.S.d. AufenthG zu behandeln. Demnach ist auch nach § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. ab 2006 für den Kindergeldanspruch zumindest vorausgesetzt, dass der Ausländer im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung i.S.d. AuslG in Form einer Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis war.
Nach der Verordnung zur Durchführung des AuslG (DVAuslG, 1993) bzw. der Aufenthaltsverordnung (AufentV, 2004) ist das Botschaftspersonal (zu einem großen Teil) vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Den nicht amtlich entsandten, mit Zustimmung des AA örtlich angestellten Mitgliedern des Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen Hauspersonals diplomatischer Vertretungen wurden vom AA jeweils auf ein Jahr befristete "gelbe Ausweise" und Dienstvisa erteilt.
Bei diesen Ausweisen und Visa handelt es sich jedoch nicht um ein Aufenthaltsrecht begründende Titel i.S.d. AuslG bzw. des AufenthG, sodass bei wörtlicher Gesetzesauslegung ein Kindergeldanspruch zu verneinen wäre.
Für ausländische Staatsangehörige (verwaltungs- und technisches Personal oder dienstliches Hauspersonal einer Botschaft), die vor dem 01.04.1999 ihre Tätigkeit begonnen haben und im Inland als ständig ansässig behandelt wurden, stellt der BFH jedoch den "gelben Ausweis" im Weg einer Analogie einer zu einer Erwerbstätigkeit berechtigenden und damit den Kindergeldanspruch begründenden Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG gleich.
Die Entscheidung beruht auf der gesetzgeberischen Zielsetzung, dass Kindergeld nur solchen Ausländern zukommen soll, die sich rechtmäßig und voraussichtlich auf Dauer im Inland aufhalten, wobei das Gesetz die Erwerbstätigkeit bzw. die Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit als Indiz für einen voraussichtlichen Daueraufenthalt ansieht.
Der Gesetzgeber ging offensichtlich davon aus, dass die Befreiung von einem Aufenthaltstitel nur solche Botschaftsbedienstete betrifft, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten und die nach der Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Botschaft Deutschland wieder verlassen. Tatsächlich mussten die Inhaber "gelber Ausweise" jedoch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Botschaft Deutschland nicht verlassen, sondern konnten sich anderweitig Arbeit suchen.
Da der Gesetzgeber diesen Fall nicht bedacht hat, ist es gerechtfertigt, die dadurch bestehende Gesetzeslücke durch Analogie zu schließen.
Anders ist es nach den ab 01.04.1999 neu gefassten Richtlinien des AA. Botschaftsbedienstete, die nach dem 31.03.1999 eingereist sind, müssen nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Botschaft Deutschland unverzüglich verlassen. Der BFH hat gleichwohl für diesen Personenkreis die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob der Kindergeldanspruch mangels voraussichtlichen Daueraufenthalts zu versagen ist, obwohl die Betroffenen nach wie vor zur Sozialversicherung herangezogen werden.
Schließlich hat der BFH auch einen Ausschluss von der Kindergeldberechtigung aufgrund des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) verneint. Hier ist strittig, ob die...