Leitsatz
Ein Grenzgänger mit Wohnsitz in Deutschland und Arbeitsplatz in Holland hat Anspruch auf deutsches Kindergeld, wenn der Anspruch auf holländisches Kindergeld wegen Erreichens der Altersgrenze erloschen ist.
Sachverhalt
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, wohnt in Deutschland, arbeitet jedoch seit 1999 für ein Unternehmen in Groningen (Niederlande). Er hat zwei Kinder, die in den Jahren 1984 und 1988 geboren sind. Im Juni 2006 haben sich der Kläger und seine Frau getrennt, die Kinder leben seitdem im Haushalt des Klägers. Aus diesem Grund stellte die Familienkasse die Kindergeld-zahlungen an die Ehefrau mit Wirkung ab Juli 2006 ein, und der Kläger beantragte die Zahlung von Kindergeld. Die Familienkasse versagte den Anspruch auf Kindergeld unter Hinweis auf § 65 Abs. 1 EStG. Nach der Norm sollten Doppelleistungen vermieden werden. Bereits die Existenz eines anderen materiellrechtlichen Anspruchs schließe einen Kindergeldanspruch gegen sie aus. Ein solcher anderer Anspruch bestehe im Streitfall, weil der Kläger einen Anspruch auf holländisches Kindergeld habe. Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, dass er einen Anspruch auf Kindergeld wenigstens in Höhe der Differenz zum holländischen Kindergeld habe.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG bemisst sich der Kindergeldanspruch des Klägers nach nationalem deutschem Recht. Das FG stützt diese Erkenntnis zunächst auf seine Überzeugung, dass der Anspruch des Klägers grundsätzlich vom Regelungsbereich des Art. 13 Abs. 2 a der VO (EWG) 1408/71 erfasst wird. Nach dieser Norm unterliegen Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates abhängig beschäftigt sind, den Rechtsvorschriften dieses Staates und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen. Das Gericht versteht die vorgenannten Gemeinschaftsnormen des Art. 13 ff. als Konkurrenzregelung zwischen den Anwendungen der jeweiligen nationalen Ansprüche auf Kindergeld. Sie stellt ein in sich geschlossenes System von Kollisionsregelungen dar, das der Anwendung des Beschäftigungslandprinzips Vorrang gibt vor dem Prinzip des Wohnsitzlandes. Die Besonderheit des Streitfalls ist jedoch, dass der Kläger nach holländischem Recht keinen Kindergeldanspruch (mehr) hat. Im Juli 2006 waren beide Kinder des Klägers bereits 18 Jahre alt. Wie die holländische Behörde mitgeteilt hat, endet der Kindergeldanspruch nach holländischem Recht mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes. Daraus folgt zugleich, dass es für den Streitfall einen Konkurrenzkonflikt zwischen Kindergeld nach holländischem und nach deutschem Recht nicht gibt. Ob die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 EStG für die Gewährung von Kindergeld für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, vorliegen, muss von der Familienkasse noch geprüft werden.
Hinweis
Gegen das vorstehende Urteil wurde Revision eingelegt, welche beim BFH unter dem Az. III R 12/08 geführt wird. Betroffene sollten in vergleichbaren Fällen gegen die Ablehnung des Kindergeldes Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.01.2008, 1 K 83/07