Leitsatz
1. Die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung gehört auch dann zur Berufsausbildung, wenn das Ausbildungsverhältnis mit dem Lehrbetrieb nach der nicht bestandenen Abschlussprüfung endet und das Kind keine Berufsschule besucht.
2. Nimmt das Kind an der erstmaligen Wiederholungsprüfung teil und besteht diese, ist i.d.R. zu unterstellen, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig auf diese Prüfung vorbereitet hat.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 63 Abs. 1 S. 2 EStG
Sachverhalt
Der im September 1985 geborene Sohn des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) wurde seit August 2004 zum Groß- und Außenhandelskaufmann ausgebildet. Nachdem er im Mai 2007 die Abschlussprüfung nicht bestanden und das Ausbildungsverhältnis zum 20.06.2007 geendet hatte, meldete er sich bei der Berufsschule als Gastschüler an, bereitete sich im Eigenstudium vor und bestand im Januar 2008 die Wiederholungsprüfung. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds ab Juli 2007 auf, weil der regelmäßige Berufsschulbesuch bis zur Wiederholungsprüfung nicht nachgewiesen wurde.
Das FG gab der Klage statt (FG des Saarlands vom 29.10.2008, 2 K 1073/08, Haufe-Index 2125601). Es hielt ein Selbststudium generell für ausreichend.
Entscheidung
Der BFH billigte dies im Ergebnis, stellte aber klar, dass die Behauptung eines Selbststudiums nicht ausreicht, sondern dessen Intensität und Umfang vom Kindergeldberechtigten darzulegen ist. Im Streitfall war dies aber wegen des Bestehens der erstmöglichen Wiederholungsprüfung entbehrlich.
Hinweis
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG werden Kinder zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr berücksichtigt, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden. Zur Berufsausbildung gehören nicht nur reglementierte Ausbildungsgänge, sondern alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (z.B. auch die Tätigkeit als Au-pair).
2. Sieht der Ausbildungsgang eine Prüfung vor, so ist er erst mit deren Bestehen oder spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses beendet. Dies gilt auch, wenn das Kind nicht mehr in einen Lehrbetrieb oder eine Schule integriert ist. Die "freie Selbstausbildung" zur Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung nach Beendigung gehört danach – entgegen der Verwaltungsansicht – noch zur Ausbildung. Um auszuschließen, dass Kindergeld gewährt wird, obwohl die Ausbildung abgebrochen wurde, sind grundsätzlich strenge Anforderungen an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Prüfungsvorbereitung zu stellen; Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast zulasten des Kindergeldberechtigten.
3. Die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung braucht aber nicht ermittelt zu werden, wenn sich das Kind zur erstmöglichen Wiederholungsprüfung anmeldet und diese auch besteht. In diesem Fall kann unterstellt werden, dass es sich hinreichend vorbereitet hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 02.04.2009 – III R 85/08