Leitsatz
1. Jedem Steuerpflichtigen, der Anspruch auf Kindergeld gem. § 62 i.V.m. § 63 Abs. 1 EStG hat, ist auf Antrag eine Bescheinigung über das für das Kalenderjahr ausgezahlte Kindergeld zu erteilen. Daher kann auch ein sogenannter nachrangig Berechtigter, also ein Berechtigter, dessen Anspruch gegenüber der Anspruchsberechtigung einer anderen Person gem. § 64 Abs. 2 EStG zurücktritt, die Erteilung einer solchen Bescheinigung verlangen.
2. Das Steuergeheimnis steht der Ausstellung einer Kindergeldbescheinigung für den nachrangig Berechtigten nicht entgegen.
Normenkette
§ 64 Abs. 2, § 68 Abs. 3 EStG, § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger bezog für seine Tochter bis einschließlich Januar 2009 Kindergeld von der Familienkasse seines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers. Nachdem die Familienkasse erfuhr, dass die geschiedene Ehefrau als vorrangig Berechtigte einen Kindergeldantrag gestellt hatte, hob sie die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger ab Februar 2009 auf.
Daraufhin bat der Kläger die für seine geschiedene Frau zuständige Familienkasse zunächst um Mitteilung, seit wann im Jahr 2009 Kindergeld für seine Tochter an die Kindsmutter gezahlt worden sei. Die Familienkasse antwortete, die gewünschte Auskunft könne wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) nicht erteilt werden, und lehnte den daraufhin gestellten förmlichen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 68 Abs. 3 EStG ab, weil nur die Kindsmutter als Berechtigte einen solchen Antrag stellen könne.
Das FG München gab der Klage statt (Urteil vom 11.3.2013, 7 K 477/11, Haufe-Index 5407907, EFG 2013, 1865).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Familienkasse als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Die das Kindergeld auszahlende Stelle erteilt auf Antrag des Berechtigten eine Bescheinigung über das für das Kalenderjahr ausgezahlte Kindergeld (§ 68 Abs. 3 EStG). Die Bescheinigung dient dazu, in Ausnahmefällen die für das Besteuerungsverfahren bedeutsame Höhe des ausgezahlten Kindergelds nachzuweisen, kann aber auch z.B. bei Unterhaltsstreitigkeiten nützlich sein.
2. Der Antrag kann auch von einem sog. nachrangig Berechtigten gestellt werden, also z.B. – wie hier – dem Vater, wenn das Kind bei der Mutter lebt. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 68 Abs. 3 EStG, der (jeden) Berechtigten anspricht und nicht nur den vorrangigen oder den Leistungsberechtigten (vgl. z.B. § 75 EStG), und eine Bescheidung über das und nicht über das an ihn, also den Berechtigten, ausgezahlte Kindergeld anordnet. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Norm, was das Urteil ausführlich begründet.
3. Das Steuergeheimnis steht der Ausstellung einer Kindergeldbescheinigung für den nachrangig Berechtigten nicht entgegen. Die Offenbarungsbefugnis wird durch § 68 Abs. 3 EStG ausdrücklich zugelassen. Da § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO kein Zitiergebot enthält, ist es unschädlich, dass § 68 EStG das Steuergeheimnis nicht ausdrücklich nennt. Ausreichend ist insoweit, dass § 68 Abs. 3 EStG genau festlegt, unter welchen Voraussetzungen welche Auskünfte zulässig sind: Es bedarf eines Antrags und einer eigenen nachzuweisenden Berechtigung, die Bescheinigung ist nur Berechtigten i.S.d. § 62 i.V.m. § 63 Abs. 1 EStG zu erteilen, und aufzunehmen sind lediglich Daten zum Kind, dem Jahr und dem Kindergeldzahlbetrag. Der Bescheinigungsanspruch erstreckt sich nicht auf die Person des Zahlungsempfängers und auch nicht auf die Vorgänge, die mit dem Kindergeldantrag oder der Kindergeldfestsetzung gem. § 70 Abs. 1 EStG zusammenhängen. Die einzige zusätzliche, von § 30 AO geschützte Information, die der nachrangig Berechtigte über die Bescheinigung gem. § 68 Abs. 3 EStG erhält, ist letztlich die, dass eine Auszahlung von Kindergeld in bestimmter Höhe tatsächlich stattgefunden hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.2.2014 – III R 40/13