Leitsatz
* 1. Der Begriff der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht auch im Streitjahr 1998 der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG sowie den gleichlautenden Begriffen in § 33a Abs. 1 Satz 4 und § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG.
2. Der Jahresgrenzbetrag im Veranlagungszeitraum 1998 mit – kindergeldschädlichen – Einkünften und Bezügen von mehr als 12 360 DM entspricht sowohl nach der Art der gewählten Bemessungsgrundlage als auch nach der Höhe der verfassungsrechtlichen Anforderungen.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 2 Abs. 2 EStG , § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der im Jahre 1978 geborene Sohn (S) des Klägers begann am 1.9.1997 eine Berufsausbildung als Verkäufer. Im Zug eines Einspruchsverfahrens ermittelte die Familienkasse, dass S im Jahr 1998 Einkünfte in Höhe von 12 646 DM erzielt hatte. Deshalb forderte die Familienkasse das für 1998 gezahlte Kindergeld zurück.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das klageabweisende Urteil des FG. Der Begriff der "Einkünfte" sei nicht im Sinn des "zu versteuernden Einkommens" zu verstehen. Demnach könnten bei der Ermittlung der Einkünfte auch keine Sonderausgaben (hier: u.a. Sozialversicherungsbeiträge) und außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.
Im Übrigen entspreche der Grenzbetrag in Höhe von 12 360 DM verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Hinweis
Ungeachtet des Umstands, dass gegen das Grundsatzurteil vom 21.7.2000, VI R 153/99 (BStBl II 2000, 566) Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1781/00) eingelegt wurde, bleibt der BFH nach neuerlicher Prüfung dabei, dass der Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG entspricht. Im Urteil in BStBl II 2000, 566 hatte der BFH die vom FG Niedersachsen (EFG 1999, 1137) vertretene Auffassung abgelehnt, statt der "Einkünfte" des Kindes sei dessen "Einkommen", d.h. der Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen des Kindes (vgl. § 2 Abs. 4 EStG) maßgebend.
Das Grundsatzurteil in BStBl II 2000, 566 (ebenso wie die Besprechungsentscheidung) dürfen indessen nicht isoliert, sondern müssen im Gesamtkontext weiterer Entscheidungen zur Einkünfte-Bezüge-Ermittlung gesehen werden.
So hat der BFH im Urteil vom 26.9.2000, VI R 85/99 (BStBl II 2000, 684) – in Einklang mit der Steuersystematik – entschieden, dass Einnahmen des Kindes in Höhe des Versorgungs-Freibetrags und des Sparer-Freibetrags keine Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG darstellen; entsprechende Einnahmen sind demnach bei der Ermittlung des maßgeblichen Jahresgrenzbetrags nicht zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang sind auch zahlreiche Urteile zu erwähnen (z.B. Urteile jeweils vom 14.11.2000 VI R 62/97, BFH-PR 2001, 90; VI R 128/00, BFH-PR 2001, 91; VI R 52/98, BFH-PR 2001, 91), nach denen bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages die Einkünfte und Bezüge, die das Kind im Kalenderjahr hat, gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG um besondere Ausbildungskosten zu kürzen sind.
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber nunmehr die Entscheidung des BFH zum Versorgungs-Freibetrag und Sparer-Freibetrag aus diesem Gesamtzusammenhang herausgegriffen. Denn ab 2002 werden u.a. die nach § 19 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte als anzurechnende Bezüge angesehen. Der Gesetzgeber stellt nunmehr darauf ab, dass der Jahresgrenzbetrag eine Höhe erreichen müsse, die es dem Kind ermöglicht, sich selbst zu unterhalten. Damit werden die o.a. Koordinaten nennenswert verschoben.
Dies könnte bedeuten, dass künftig der Jahresgrenzbetrag das volle Existenzminimum eines Erwachsenen berücksichtigen muss. Möglicherweise hat dies für den Begriff der Einkünfte bzw. für die Höhe des Jahresgrenzbetrags Bedeutung, weil (zwangsweise anfallende) Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.7.2001, VI R 174/99