Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Das Umsatzsteuergesetz sieht für Unternehmer umfangreiche Rechte und Pflichten vor. Dabei ist die Unternehmereigenschaft grundsätzlich nicht von der Höhe der Umsätze abhängig. Um Unternehmern, die nur Umsätze in geringem Umfang ausführen, eine Erleichterung zu gewähren, sind für sog. Kleinunternehmer Vereinfachungen im Umsatzsteuerrecht enthalten. Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben. Die für steuerbare und steuerpflichtige Umsätze geschuldete Umsatzsteuer wird bei ihnen nicht erhoben. In ihren Rechnungen dürfen sie keine Umsatzsteuer gesondert ausweisen. Soweit Umsatzsteuer in Rechnungen gesondert ausgewiesen wird, schuldet der Kleinunternehmer diese nach § 14c Abs. 2 UStG. Die einem Kleinunternehmer in Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer für bezogene Leistungen darf von ihm nicht als Vorsteuer abgezogen werden, dies gilt entsprechend auch für Umsatzsteuerbeträge, die der Kleinunternehmer nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren) schuldet.
Um die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen zu können, darf der Gesamtumsatz des Unternehmers im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 22.000 EUR (bis 31.12.2019: 17.500 EUR) betragen haben und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 EUR betragen. Zur Überprüfung, ob die maßgeblichen Umsatzgrenzen nicht überschritten werden, ist jeweils vom Gesamtumsatz i. S. d. § 19 Abs. 3 UStG (= Berechnungsgrundlage) auszugehen.
Neue Gesamtumsatzgrenze für den Gesamtumsatz des Vorjahrs
Durch das Bürokratieentlastungsgesetz III ist die Gesamtumsatzgrenze für das Vorjahr von 17.500 EUR auf 22.000 EUR zum 1.1.2020 angehoben worden. Diese Umsatzgrenze gilt schon für die Prüfung, ob für 2020 die Kleinunternehmerbesteuerung angewendet werden kann. Hat der Unternehmer in 2019 die Gesamtumsatzgrenze von 22.000 EUR nicht überschritten und wird voraussichtlich in 2020 auch keinen Gesamtumsatz von mehr als 50.000 EUR realisieren (sachgerechte Schätzung), kommt für 2020 die Kleinunternehmerbesteuerung zur Anwendung.
Hat der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 22.000 EUR (bis 31.12.2019: 17.500 EUR) überschritten, ist für ihn die Anwendung des § 19 UStG im laufenden Kalenderjahr grundsätzlich nicht möglich, er muss dann die Regelbesteuerung anwenden. Ist die Umsatzgrenze von 22.000 EUR im vorangegangenem Kalenderjahr nicht überschritten, muss der Unternehmer anhand einer Schätzung auf der Grundlage der zu Beginn des Kalenderjahrs maßgebenden Verhältnisse feststellen, ob er im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 50.000 EUR überschreiten wird oder nicht.
Fehleinschätzung irrelevant
Soweit sich nach der sachgerechten Schätzung ein Gesamtumsatz für das laufende Kalenderjahr von nicht mehr als 50.000 EUR ergibt, entfällt die Besteuerung als Kleinunternehmer nicht rückwirkend, selbst wenn die Umsatzgrenze tatsächlich überschritten werden sollte.
Zur Prüfung der Kleinunternehmereigenschaft muss der Gesamtumsatz geprüft werden. Der Gesamtumsatz ist ausgehend von der Summe der steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu ermitteln. Innergemeinschaftliche Erwerbe sind damit nicht mit einzubeziehen. Ebenfalls sind für die Prüfung der Gesamtumsatzgrenze im Reverse-Charge-Verfahren geschuldete Steuerbeträge unbeachtlich. Von den steuerbaren Ausgangsleistungen werden aber bestimmte steuerfreie Ausgangsleistungen (insbesondere die steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätze) abgezogen – so z. B. steuerfreie heilkundliche Leistungen oder steuerfreie Vermietungsumsätze. Umstritten war, wie der Gesamtumsatz eines Unternehmers zu berechnen ist, der Leistungen ausführt, für die die Differenzbesteuerung zur Anwendung kommt.
Gesamtumsatz bei Differenzbesteuerung
Wendet der Unternehmer für seine Ausgangsumsätze – ganz oder teilweise – die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG an, ist nach einer Entscheidung des EuGH nicht nur die besteuerte Marge, sondern das gesamte vereinnahmte oder zu vereinnahmende Entgelt (ohne Umsatzsteuer) in die Ermittlung des Gesamtumsatzes mit einzubeziehen.
Die Kleinunternehmereigenschaft des § 19 UStG setzt aber eine Ansässigkeit im Inland voraus. Deshalb unterliegen Unternehmer, die im Ausland ansässig sind und für die dort ggf. auch besondere Regelungen für Kleinunternehmer anzuwenden sind, in Deutschland normal der Besteuerung. Dies muss insbesondere auch von Leistungsempfängern beachtet werden, die Leistungen von ausländischen Unternehmern beziehen.
Aber auch der Kleinunternehmer selbst muss bestimmte umsatzsteuerrechtliche Rechtsfolgen beachten. So wird er unter den Voraussetzungen des § 13b UStG zum Steuerschuldner für ihm gegenüber ausgeführte Leistungen und kann auch im europäischen Binnenmarkt unter besonderen Voraussetzungen innergemeinschaftliche Erwerbe verwirklichen.