Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Spielzeugwarenhändler S aus Stuttgart hat einen guten Kunden, der regelmäßig bei ihm Miniaturfahrzeuge (Sammlerstücke) kauft. Da der Kunde eine besondere Günthermann-Feuerwehr sucht, recherchiert S und findet nach langem Suchen ein ansprechendes Stück bei einem kleinen Unternehmer in Österreich. Es gelingt S, die Miniatur für 1.500 EUR zu erwerben. Der österreichische Händler verschickt das Fahrzeug Anfang März 2020 zu S nach Stuttgart und legt der Lieferung eine Rechnung bei, in der er darauf hinweist, dass er in Österreich unter die Kleinunternehmerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Ziff. 27 UStG-AT fällt.
3.2 Fragestellung
S möchte wissen, welche Rechtsfolgen sich für ihn aus dem Einkauf ergeben.
3.3 Lösung
S ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er Leistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausführt. Er bezieht von einem anderen Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat einen Gegenstand für Zwecke seines Unternehmens.
Grundsätzlich unterliegen Einkäufe, die ein Unternehmer für sein Unternehmen von einem anderen Unternehmer bezieht, im Bestimmungsmitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach § 1a Abs. 1 UStG, wenn der Gegenstand der Lieferung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Allerdings setzt § 1a Abs. 1 UStG voraus, dass die Lieferung nach dem Recht des Mitgliedstaats, der für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, nicht aufgrund der Sonderregelungen für Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit ist.
Da nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a Abs. 1 UStG erfüllt sind, realisiert S keinen innergemeinschaftlichen Erwerb. Da sich auch keine anderen umsatzsteuerrechtlichen Folgen für S ergeben, entsteht bei der Lieferung des Gegenstands keine Umsatzsteuer in Deutschland.
Zweifel hinsichtlich der (Klein-)Unternehmereigenschaft
Manchmal ist es bei Einkäufen in anderen Mitgliedstaaten zweifelhaft, ob der Verkäufer Unternehmer ist oder ob er Kleinunternehmer ist. Grundsätzlich sollte der leistende Unternehmer zwar eine Rechnung ausstellen, in der er auch seine USt-IdNr. angibt (in diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass der Leistende regelbesteuerter Unternehmer ist), alleine aus dem Fehlen dieser Angabe kann aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass der Leistende nicht Unternehmer oder ein Kleinunternehmer ist.
Im Zweifelsfall sollte ein innergemeinschaftlicher Erwerb der Besteuerung unterworfen werden und – soweit keine Ausschlussgründe beim Leistungsempfänger vorliegen – der Vorsteuerabzug vorgenommen werden. Wenn dann in einer Betriebsprüfung die Unternehmereigenschaft des Leistenden bezweifelt werden sollte oder die Kleinunternehmerbesteuerung bejaht werden sollte, müssten sowohl der innergemeinschaftliche Erwerb als auch der Vorsteuerabzug rückgängig gemacht werden.