Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
4.1 Sachverhalt
Modedesigner M aus Berlin benötigt für eine Produktion im Frühjahr 2025 bestimmte, original belgische Klöppelspitzen. Da er keine Beziehungen nach Belgien hat, bestellte er im Dezember 2024 bei dem ihm bekannten, nebenberuflich selbstständig tätigen Theaterausstatter T aus München Klöppelspitzen zur Lieferung im März 2025. T hatte die Klöppelspitzen bei dem in Belgien ansässigen Spezialversandhändler S (regelbesteuert) bestellt. Im März 2025 zahlt T an den S aus Belgien den schon im Dezember 2024 vereinbarten Kaufpreis von 15.000 EUR, nachdem die Ware aus Belgien zu ihm versandt worden war. Mit M hatte T einen Nettokaufpreis von 20.000 EUR vereinbart. T, der in 2024 einen Gesamtumsatz von 20.000 EUR erzielt hatte, hat bisher in 2025 unter Berücksichtigung der Lieferung an M einen Gesamtumsatz von 40.000 EUR realisiert. Da M gegenüber T auf einer Rechnung mit Umsatzsteuer besteht, stellt T noch im März 2025 eine Rechnung an M aus, in der 3.800 EUR Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden.
4.2 Fragestellung
Die beteiligten deutschen Unternehmer möchten wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich im März 2025 ergeben. Da T ansonsten überwiegend Leistungen gegenüber nicht vorsteuerabzugsberechtigten Personen ausführt, möchte er solange wie möglich als Kleinunternehmer behandelt werden.
4.3 Lösung
Alle Beteiligten sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind; dass es sich teilweise um ausländische Unternehmer handelt, ist dabei ohne Auswirkung. Alle Unternehmer handeln im Rahmen ihres Unternehmens.
T erfüllt die Voraussetzungen als Kleinunternehmer, da er im vorangegangenen Kalenderjahr (2024) einen Gesamtumsatz von nicht mehr als 25.000 EUR erzielt hat und im laufenden Kalenderjahr (2025) bisher nicht mehr als 100.000 EUR Gesamtumsatz realisiert hat.
Seit 2025 auch unterjährig Wechsel möglich
Wenn T zwar im Vorjahr die Gesamtumsatzgrenze von 25.000 EUR nicht überschritten hätte, aber im laufenden Kalenderjahr (2025) bisher schon einen Gesamtumsatz von 100.000 EUR realisiert hätte, würde es unterjährig zu einem Wechsel von der Kleinunternehmerbesteuerung zur Regelbesteuerung kommen. Die bis zur Erreichung der Gesamtumsatzgrenze von 100.000 EUR ausgeführten Umsätze würden als Kleinunternehmerumsätze steuerfrei bleiben.
Da T auch nicht auf die Kleinunternehmerbesteuerung verzichten will, ist er in 2025 weiterhin als Kleinunternehmer anzusehen.
Kleinunternehmereigenschaft in den Folgejahren
T ist in 2026 nicht mehr Kleinunternehmer, da er in 2025 den Gesamtumsatz von 25.000 EUR übersteigen wird. Soweit er aber in 2026 nicht mehr als 25.000 EUR Gesamtumsatz erzielen sollte, könnte er in 2027 wieder die Kleinunternehmerbesteuerung anwenden. Falls er aber in 2025 auf die Kleinunternehmerbesteuerung verzichten sollte, würde er an dieses Wahlrecht 5 Jahre gebunden sein und könnte selbst bei Unterschreiten der Gesamtumsatzgrenze von 25.000 EUR in den Folgejahren vor Ablauf der Frist nicht wieder in die Besteuerung nach § 19 UStG zurückkehren.
T realisiert mit dem Einkauf der Klöppelspitzen einen innergemeinschaftlichen Erwerb, da Gegenstände aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland gelangen, er als Erwerber ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen bezieht und der Lieferer ein Unternehmer ist, der offensichtlich auch nicht als Kleinunternehmer anzusehen ist. Grundsätzlich könnte zwar eine Ausnahme vom innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 3 UStG vorliegen, da T Kleinunternehmer ist und somit nur steuerfreie Umsätze ausführt, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Da T aber die Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG überschreitet, kommt die Ausnahme hier nicht zur Anwendung.
Der Zeitpunkt ist entscheidend
Die Erwerbsschwelle beträgt 12.500 EUR. Zwar hat T offensichtlich die Erwerbsschwelle in 2024 nicht überschritten. Da aber die Bestellung schon im Dezember 2024 erfolgte, war aus der Sicht des Beginns des Kalenderjahrs 2025 zu erwarten, dass die Erwerbsschwelle in 2025 überschritten wird. In diesem Fall kann es nicht mehr zur Anwendung der Ausnahmeregelung nach § 1a Abs. 3 UStG kommen. Wenn die Bestellung der Ware z. B. erst im Februar 2025 erfolgt wäre, würde die Erwerbsschwelle in 2025 nicht als überschritten gelten, selbst wenn dann für mehr als 12.500 EUR eingekauft würde.
T realisiert damit einen innergemeinschaftlichen Erwerb, der in Deutschland – dem Land, in dem sich die Gegenstände am Ende der Beförderung oder Versendung befinden – steuerbar ist. Eine Steuerbefreiung nach § 4b UStG ergibt sich nicht. Die Bemessungsgrundlage beträgt 15.000 EUR, sodass eine Erwerbsteuer i. H. v. (15.000 EUR × 19 % =) 2.850 EUR entsteht. T muss die Erwerbsteuer bei seinem Finanzamt anmelden. Ein Vorsteuerabzug ergibt sich für T nicht, da er als Kleinunternehmer steuerfreie Umsätze ausführt und somit vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
Verwendung der USt-IdNr.
Damit T die Ware von seinem Zulieferer – dem belgischen Unterne...