Leitsatz
Der Vorsitzende (Berichterstatter), der gem. § 79a Abs. 3, 4 FGO im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden kann, hat sich durch sein Tätigwerden im Verfahren vor einer erstmaligen mündlichen Verhandlung auch dann noch nicht zum sog. konsentierten Einzelrichter hinsichtlich der abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits bestellt, wenn er bei einzelnen Verfahrenshandlungen bereits als solcher aufgetreten ist.
Normenkette
§ 79a Abs. 3, 4 FGO , § 128 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Die Kläger und das FA erklärten sich im Verfahren vor dem FG in einem Erörterungstermin mit einer Entscheidung gem. § 79a Abs. 3, 4 FGO durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden. In einem anschließend eingereichten Schriftsatz hielt das FA sein Einverständnis zur Entscheidung durch den Berichterstatter nicht mehr aufrecht.
In einem auf § 79a Abs. 3 FGO gestützten Beweisbeschluss setzte der Berichterstatter einen Beweistermin an, den er "als konsentierter Einzelrichter" durchführte. Nachdem auch der Kläger Bedenken gegen eine Entscheidung durch konsentierten Einzelrichter geltend gemacht hatte, teilte der Berichterstatter den Beteiligten seine Absicht mit, den Bedenken Rechnung zu tragen.
In einem als Einzelrichter erlassenen Beschluss trennte er in der Folgezeit einen Teil vom hier streitigen Verfahren ab und führte ihn unter einem neuen Aktenzeichen fort.
Daraufhin entschied der Senat des FG, der Berichterstatter bleibe weiterhin für eine Entscheidung der Streitsache ausschließlich zuständig, weil er als konsentierter Einzelrichter Beweis erhoben und eine Verfahrensabtrennung verfügt habe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
Entscheidung
Die Beschwerde ist nach Auffassung des BFH begründet. Solange der Vorsitzende (Berichterstatter) noch nicht anstelle des Senats entschieden habe, bleibe der Senat hinsichtlich der abschließenden Entscheidung der gesetzliche Richter (z.B. Stöcker in Beermann, a.a.O., § 79a FGO Rz. 49). Ein vorher ergangener Beweis- oder Trennungsbeschluss sei keine abschließende Ermessensentscheidung dahingehend, den Rechtsstreit als Einzelrichter zu entscheiden.
Hinweis
Gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Hierzu kann er u.a. die Beteiligten zu einem sog. Erörterungstermin laden (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO) und – zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung – einzelne Beweise erheben (§ 79 Abs. 3 FGO).
Gem. § 79a Abs. 1 FGO haben der Vorsitzende oder – falls einer bestellt ist, an seiner Stelle – der Berichterstatter (§ 79a Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 FGO) im vorbereitenden Verfahren die in der Vorschrift bezeichneten Entscheidungen zu treffen. Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende oder ggf. der Berichterstatter "auch sonst" anstelle des Senats entscheiden (§ 79a Abs. 3 und 4 FGO). Wird von dieser Befugnis vor der erstmaligen Durchführung einer mündlichen Verhandlung Gebrauch gemacht, ist dem Gesetz keine Pflicht zu entnehmen, auch die Endentscheidung als konsentierter Einzelrichter zu treffen, selbst wenn der Berichterstatter – wie im Streitfall – einzelne Maßnahmen bereits als konsentierter Einzelrichter angeordnet hat.
§ 79a Abs. 1 FGO benennt nämlich ersichtlich abschließend Fälle, in denen der Vorsitzende (Berichterstatter) im vorbereitenden Verfahren allein Entscheidungen treffen muss. Darüber hinaus ergibt sich für den Vorsitzenden (Berichterstatter) aus § 79a Abs. 3, 4 FGO lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung, andere (im Normalfall: Senats-)Entscheidungen allein zu treffen. Er hat lediglich das insoweit eingeräumte Ermessen zur Entscheidung als konsentierter Einzelrichter pflichtgemäß auszuüben.
Dabei ist ungeachtet des Entlastungszwecks der Vorschrift zu berücksichtigen, dass die Finanzgerichte im Grundsatz als Kollegialgerichte ausgestaltet sind und damit einer Entscheidung des Kollegialgerichts ein Vorrang eingeräumt ist. Im Hinblick darauf ist im Verfahrensstadium vor einer erstmaligen mündlichen Verhandlung dem Tätigwerden eines Vorsitzenden (Berichterstatters) von vornherein nicht die Bedeutung einer abschließenden Bestellung zum konsentierten Einzelrichter beizumessen. Hierfür spricht auch der Vergleich mit § 6 FGO, der eine Übertragung des Rechtsstreits durch den FG-Senat auf eines seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter (und die Möglichkeit der Rückübertragung unter bestimmten Voraussetzungen) vorsieht. Eine solche, das ganze zukünftige Verfahren betreffende Stellung erlangt der sog. konsentierte Einzelrichter i.S.d. § 79a Abs. 3, 4 FGO nicht. Vielmehr hat er ein Wahlrecht, ob er als solcher entscheidet (vgl. Gramich, DStR 1993, 6, 9, m.w.N.).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 9.7.2003, IX B 34/03