Leitsatz
Aufwendungen eines Elternteils für Besuche seiner bei dem anderen Elternteil lebenden Kinder sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar (Fortführung des Senatsurteils vom 28.03.1996, III R 208/94, BStBl II 1997, 54).
Normenkette
§ 33 EStG
Sachverhalt
Der Kläger machte bei der Veranlagung 1999 Aufwendungen für die Besuche seiner Kinder i.H.v. 32 000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Kinder wohnten bei der geschiedenen Ehefrau in den USA, wohin sie die Kinder gegen den Willen des Klägers mitgenommen hatte.
Das FA ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Die dagegen gerichtete Klage wies das FG ab (EFG 2005, 1201).
Entscheidung
Der BFH versagte die steuerliche Berücksichtigung der Besuchskosten. Die Aufwendungen sind durch die Kinderfreibeträge abgegolten. Die außerdem geltend gemachten Schulkosten i.H.v. über 50 000 DM konnten (zu 30 %) auch nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, da es sich nicht um anerkannte Ersatz- bzw. Ergänzungsschulen handelte. Darüber hinaus scheidet eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung aus, da nach § 33a Abs. 5 EStG Aufwendungen für die Berufsausbildung nicht nach § 33 EStG abgezogen werden können.
Hinweis
Bereits in dem im Leitsatz zitierten Urteil hat der BFH für das Jahr 1990 entschieden, dass Besuchsfahrten des nicht sorgeberechtigten Elternteils zu dem von ihm getrennten Kind keine außergewöhnliche Belastung sind. Er war ferner der Auffassung, dass nach dem Wegfall des Freibetrags zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses (§ 33a Abs. 1a EStG a.F., Fassung 1978 bis 1990) die Kontaktaufwendungen durch den Kinderlastenausgleich abgegolten sind.
Zum 01.07.1998 hat sich jedoch die zivilrechtliche Situation getrennt lebender Eltern insoweit geändert, als nach § 1664 Abs. 1 BGB n.F. jeder Elternteil nicht nur das Recht zum Umgang mit dem Kind hat, sondern dass ihn auch eine Verpflichtung zum Umgang mit dem Kind trifft und dass das Kind einen dementsprechenden Anspruch hat. Wegen der Änderung dieser zivilrechtlichen Lage hat der BFH für eine entsprechende Nichtzulassungsbeschwerde PKH gewährt und die Frage als grundsätzlich bedeutsam angesehen (BFH, Beschluss vom 30.03.2004, III S 16/03 – PKH –, n.v).
Die erwartete Rechtsprechungsänderung ist jedoch nicht eingetreten. Der BFH hält daran fest, dass die Kontaktaufwendungen nach wie vor zu den typischen Kosten der Lebensführung gehören und ebenso wie bis 1995 durch den Kinderlastenausgleich (Kinderfreibetrag und Kindergeld nach dem BKKG) nunmehr ab 1996 durch den Familienleistungsausgleich (Kinderfreibetrag oder Kindergeld nach dem EStG) abgegolten sind.
Diese Abgeltung gilt unabhängig von der Höhe der im Einzelfall entstehenden Aufwendungen. Denn auch im Bereich des hier betroffenen subjektiven Nettoprinzips darf der Gesetzgeber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne dass wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten ein Gleichheitsverstoß vorliegt. Das sächliche Existenzminimum des Steuerpflichtigen wird sonach durch den Grundfreibetrag und das sächliche Existenzminimum des Kindes durch Kinderfreibetrag/Kindergeld ausreichend berücksichtigt.
Dem steht nicht entgegen, dass im Sozialhilferecht die Kosten für den Umgang mit dem Kind als individueller Sonderbedarf angesetzt werden können. Denn bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Existenzminimums muss nicht jede sozialrechtliche Zusatzleistung berücksichtigt werden. Dem Gesetzgeber steht insoweit ein Regelungsermessen zu.
Es bleibt somit dabei, dass Aufwendungen für Besuche der Kinder nur unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können. Das setzt voraus, dass die Besuche ausschließlich zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens unternommen werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit oder das Leiden erträglicher zu machen.
Mit dieser Entscheidung dürfte das letzte Wort zu der viele getrennt lebende Eltern betreffenden Problematik noch nicht gesprochen sein. Es ist wohl damit zu rechnen, dass auch das BVerfG damit befasst wird, sodass entsprechende Fälle offengehalten werden sollten.
Es bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass eine etwaige pauschale Berücksichtigung in Höhe weniger Hundert € den betroffenen Eltern kaum weiterhelfen würde, da im Einzelfall – wie auch der Streitfall zeigt – sehr hohe Aufwendungen für die Aufrechterhaltung des Kontakts entstehen können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.09.2007, III R 28/05