Wie im Einzelabschluss sind auch im Konzernabschluss latente Steuern zu aktivieren oder zu passivieren, wenn sich Steuerbilanzwerte und IFRS-Konzernbilanzwerte unterscheiden und dieser Unterschied nicht permanenter, sondern vorübergehender Natur ist. Insoweit fließen die aktiven und passiven latenten Steuern der IFRS-Einzelbilanzen auch in die Konzernbilanz ein. In der Konzernbilanz ergeben sich jedoch zunächst zwei Erweiterungen:
- Durch Anpassung an konzerneinheitliche Ansatz- und Bewertungsmethoden können sich die Unterschiede zum Steuerbilanzwert gegenüber der IFRS-Einzelbilanz erhöhen (zusätzliche latente Steuern) oder vermindern (Reduzierung der latenten Steuern).
- Durch die weiteren Konsolidierungsmaßnahmen, insbesondere die Zwischenergebniseliminierung, können sich die Differenzen zwischen IFRS- und Steuerwerten weiter erhöhen (zusätzliche latente Steuern) oder weiter verringern (Reduzierung der latenten Steuern).
Zwei Grundfälle aus beiden Gruppen behandelt das nachfolgende Beispiel.
Beispiel
In den Konzernabschluss von M wird T einbezogen. Die IFRS-Bilanz von T weist u. a. folgende Positionen bzw. Werte aus:
- T hat Abschreibungen auf Sachanlagen in der Steuerbilanz und nach IAS 16 auch in der IFRS-Bilanz I degressiv vorgenommen. Wegen Übereinstimmung der Buchwerte der Sachanlagen in beiden Rechenwerken sind keine latenten Steuern in der IFRS-Bilanz I anzusetzen.
- T hat außerdem eine Drohverlustrückstellung aus einem Mietvertrag mit M in der IFRS-Bilanz I gebildet. Wegen § 5 Abs. 4a EStG ist die Drohverlustrückstellung in der Steuerbilanz nicht zu berücksichtigen. In der IFRS-Bilanz I sind daher aktive latente Steuern anzusetzen.
Beurteilung im Konzern
- Im Rahmen der Konsolidierung werden, da im M-Konzern nur lineare Abschreibungen vorgenommen werden, die Buchwerte der Sachanlagen angepasst. Diese Bewertungsvereinheitlichung in der Überleitung von der IFRS-Bilanz I zur IFRS-Bilanz II führt zur erstmaligen Entstehung eines Unterschiedsbetrags. Eine passive latente Steuer ist in der IFRS-Bilanz II zu bilden.
- Die Drohverlustrückstellung betrifft ein konzerninternes Schuldverhältnis. Da der Konzern keine Schulden gegenüber sich selbst haben kann (Einheitstheorie), ist die Rückstellung in die Konzernbilanz nicht zu übernehmen. Damit löst sich auch die bisherige Differenz zum Steuerbilanzwert auf. Im Rahmen der Konsolidierungsbuchungen ist auch der entsprechende Ansatz aktiver latenter Steuern aufzulösen.
Tipp
Unterschiede der ersten Art – Anpassung an konzerneinheitliche Methoden – sind aus verfahrensökonomischen Gründen bereits in der IFRS-Bilanz II zu berücksichtigen; Unterschiede der zweiten Art – konzerninterne Konsolidierung, Zwischenergebniseliminierung – werden praxisgerecht unmittelbar im Zusammenhang mit der entsprechenden Konsolidierungsbuchung, d. h. durch Ergänzung dieser Buchung um eine Steuerbuchung, berücksichtigt.
Die bisher dargestellten latenten Steuern betreffen sog. inside basis differences. Die Perspektive ist die der Tochtergesellschaft. Es geht um den Unterschied zwischen IFRS- und Steuerbilanzwert des Vermögens der Tochtergesellschaft. Daneben gibt es (nur im Konzern) outside basis differences. Die Perspektive ist hier vorrangig auf das Mutterunternehmen gerichtet. Wenn das Mutterunternehmen morgen die Tochter veräußern würde, ginge steuerbilanziell der Beteiligungsbuchwert in der Bilanz des Mutterunternehmens ab, konzernbilanziell aber das nach IFRS neu bewertete Nettovermögen der Tochter. Der Unterschied zwischen beiden Abgangswerten führt zu Steuerbe- oder -entlastungen und ist daher ggf. zu latenzieren.
Zusammenfassend können damit drei Arten von temporären Differenzen entstehen:
- aus der Perspektive des Tochterunternehmens (TU) als inside basis differences I zwischen den IFRS- und Steuerbuchwerten der Bilanz dieses Unternehmens,
- aus der Sicht des vom Anteilseigner neu bewerteten Tochterunternehmens als inside basis differences II auf durch die Kaufpreisallokation aufgedeckte stille Reserven,
- aus dem Blickwinkel des Anteilseigners als outside basis differences zwischen dem Ansatz des Nettovermögens der Tochter in der Konzernbilanz des Anteilseigners und dem Buchwert der Beteiligung in dessen Steuerbilanz.
Zum systematischen Zusammenwirken der drei Differenzarten das folgende Beispiel.
Beispiel
Die M AG erwirbt am 1.1.01 100 % an TU für einen Preis von 210. TU ist schuldenfrei. Die Aktiva haben einen Wert von 150 in der IFRS-Bilanz von TU (IFRS I) und von 100 in der Steuerbilanz. Bei stillen Reserven von 25 beträgt ihr Zeitwert 175. Die Aktiva werden über eine durchschnittliche Restnutzungsdauer von zehn Jahren abgeschrieben.
TU (eine GmbH) erzielt in 01 vor Steuern einen Gewinn von 50 in der IFRS-Bilanz (I). Darin bereits berücksichtigt ist die Abschreibung von 15 (= 150 / 10). Der Steuerbilanzgewinn ist 55, da nur mit Abschreibungen von 10 (100 / 10) belastet. Der Steuersatz beträgt 40 %.
In der Steuerbilanz der M wird die Beteiligung an TU zu Anschaffungskosten ausgewiesen.
Dividenden und ...