Rz. 52
Mit der Erstellung des Konzernabschlusses geht eine Vielzahl abschlusspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten einher. Da es das Ziel eines Abschlusserstellers ist, die Analysemuster des Analysten möglichst zu antizipieren, und der Analyst wiederum versucht, durch geeignete Maßnahmen die abschlusspolitischen Aktivitäten des Abschlusserstellers aufzudecken, stehen Abschlusspolitik und Abschlussanalyse in engem Zusammenhang.
Rz. 53
Die Konzernabschlussanalyse ist praktisch der "Gegenspieler" der Konzernbilanzpolitik. Sie will bestimmte, vom Bilanzierenden gewählte Bilanzierungs-, Bewertungs- und Ausweisalternativen entlarven, um das "ungeschönte Rohmaterial" und damit ein möglichst getreues Bild des analysierten Konzerns zu liefern.
Rz. 54
Die Möglichkeiten der Konzernabschlusspolitik wirken sich auf die Gestaltung des zu analysierenden Konzernabschlusses aus, der anschließend zur Erkenntnisgewinnung vom externen Analysten herangezogen wird. Somit handelt es sich um einen permanenten Wettstreit zwischen der Abschlusspolitik auf der einen Seite und der Abschlussanalyse auf der anderen Seite. Dennoch gehören beide Elemente untrennbar zusammen, da die Abschlusspolitik in ihre Überlegungen die potenziellen Schlussfolgerungen der Abschlussanalyse einbeziehen wird. Umgekehrt wird derjenige, der einen Konzernabschluss analysiert, die Möglichkeiten der Abschlusspolitik berücksichtigen und versuchen, diese durch geeignete Korrekturmaßnahmen zu bereinigen.
Rz. 55
Mit dem BilMoG wurden die bilanzpolitischen Möglichkeiten besonders bei der Konzernabschlusserstellung eingeschränkt. Zahlreiche Wahlrechte wurden aufgehoben, allerdings wurden neue Einschätzungsspielräume geschaffen. Durch die Aufhebung dieser Wahlrechte hat eine Konzernabschlussanalyse eine größere Aussagekraft und Konzernabschlüsse werden eher vergleichbar, allerdings fehlen dem Analysten die Signale zur Abschätzung der angewandten Abschlusspolitik.
Rz. 56
Ebenso haben zahlreiche Änderungen und Ergänzungen der IFRS die bilanzpolitischen Möglichkeiten im IFRS Konzernabschluss verschoben. Grundsätzlich ist dabei allerdings anzumerken, dass bilanzpolitische Möglichkeiten im IFRS Konzernabschluss aufgrund des True-and-Fair-View-Grundsatzes (IAS 1.15) qua Definition eigentlich ausgeschlossen sind. Möglichkeiten, v. a. im Bereich der Einschätzungsspielräume bestehen, wie im Beitrag dargestellt, dennoch.
Rz. 57
Aktuell kommt insbesondere angesichts des Transformationsprozesses der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit, aber auch aufgrund weiterer Megatrends, wie Demographie, Datensicherheit und Digitalisierung, dem Konzernlagebericht künftig auch verstärkt mit dem integrierten Konzernnachhaltigkeitsbericht eine wichtigere Rolle bei der Konzernanalyse zu. Der Konzernabschluss ist stichtags- und vergangenheitorientiert, was eine gute fundamentale Basis für viele Informationen liefert, aber Zukunftsaussagen zunehmend schwieriger werden lässt. Hier muss sich aber noch eine gefestigte Basis für eine Analyse nicht-monetärer Informationen entwickeln.