Koordinierter Ländererlass v. 24.06.2024 - S 3017, BStBl I 2024, 1073
I. Einführung
Mit Beschlüssen vom 27. Mai 2024 (II B 78/23 (AdV), BStBl. II S. NN) und II B 79/23 (AdV), BStBl. II S. NN) hat der Bundesfinanzhof in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden gemeinen Wert ihres Grundstücks nachzuweisen.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts bei der Bewertung für Zwecke der Grundsteuer nach dem Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes und für die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts die nachstehenden Regelungen.
II. Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts bei der Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer ab 1. Januar 2025
Der Ansatz des nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem gemäß §§ 218 ff. BewG ermittelten Grundsteuerwert und dem gemeinen Wert im Sinne des § 9 BewG ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Wertermittlung des Bewertungsgesetzes, die notwendigerweise mit Ungenauigkeiten verbunden ist, grundsätzlich hinzunehmen. Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aber nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahme abgewendet werden kann (BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2024, a. a. O., m. w. N.).
Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO sind gem. § 220 Satz 2 Halbsatz 1 BewG bei der Feststellung von Grundsteuerwerten grundsätzlich ausgeschlossen. Für den Fall, dass die Grundsteuerwertermittlung nach dem Gesetzeswortlaut gegen das Übermaßverbot verstößt, ist daher eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten Bewertungsvorschriften vorzunehmen.
Das Übermaßverbot kann insbesondere dann verletzt sein, wenn sich der nach den §§ 218 ff. BewG festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt dies regelmäßig voraus, dass der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt (BFH-Beschlüsse vom27. Mai 2024, a. a. O., m. w. N.).
Zur verfassungskonformen Anwendung der Bewertungsvorschriften zur Feststellung von Grundsteuerwerten ist daher ein für die gesamte wirtschaftliche Einheit nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen, wenn der nach den §§ 218 ff. BewG ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse vom Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 227 BewG) um mindestens 40 % übersteigt. Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast.
Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten in entsprechender Anwendung des § 198 Absatz 1 Satz 2 BewG grundsätzlich die auf Grund des § 199 Absatz 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.
Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann in entsprechender Anwendung des § 198 Absatz 2 BewG regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.
Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § 198 Absatz 3 BewG ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Haupfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über den zu bewertenden Grundbesitz dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse der wirtschaftlichen Einheit gegenüber den Verhältnissen am Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind.
Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts von erbbaurechtsbelasteten Grundstücken gelten die obigen Grundsätze entsprechend. In diesen Fällen ist für das Erbbaurecht und das Erbbaugrundstück ein Gesamtwert zu ermitteln, der zu ermitteln wäre, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde. In Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein Gesamtwert für den Grund und Boden sowie für das Gebäude zu ermitteln.
III. Anwendung
Die unter Ziffer II. genannten Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
In Fällen, in denen
- der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt,
- der Grundsteuerwert bestandskräftig festgestellt wurde und
- die Feststellung nicht mehr nach den Korrekturvorschriften der Abgabenordnun...