Leitsatz
1. Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.
2. Das FA hat eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis kommt es nicht an.
Normenkette
§ 27 Abs. 19, § 13b UStG, § 164, § 176 AO, § 313 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte Bauleistungen an einen Bauträger, der diese für die Errichtung von Wohnungen zur steuerfreien Lieferung verwendete. Beide gingen entsprechend der Verwaltungsauffassung von einer Steuerschuldnerschaft des Bauträgers aus. Im Nachgang zu einem BFH-Urteil verlangte der Bauträger die Rückzahlung der Umsatzsteuer. Das FA nahm daher die Klägerin als Steuerschuldner in Anspruch. Ein Abtretungsangebot lehnte das FA ab. Das FG bejahte die Änderungsbefugnis des FA, sah es aber auch als verpflichtet an, die ihm angebotene Abtretung anzunehmen (FG Münster, Urteil vom 15.3.2016, 15 K 1553/15 U, Haufe-Index 9395753, EFG 2016, 855 und FG Münster, Urteil vom 15.3.2016, 15 K 3669/15 U, Haufe-Index 9395750, EFG 2016, 849).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Danach war das FA zur Änderung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG berechtigt, musste aber die ihm angebotene Abtretung annehmen.
Hinweis
1. Die Umsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer und dabei zugleich eine indirekte Steuer, bei der dem Unternehmer die Aufgabe zukommt, öffentliche Gelder als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates zu vereinnahmen. Der Staat darf dem so beauftragten Unternehmer seine Aufgabe weder unnötig erschweren noch unmöglich machen.
2. Ordnet die Finanzverwaltung in einer allgemein anzuwendenden Verwaltungsanweisung z.B. für die sog. Bauträgerfälle entgegen § 13a und § 13b UStG eine Steuerschuld des Leistungsempfängers an, obwohl nach diesen Vorschriften der Leistende Steuerschuldner ist (vgl. BFH, Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10, BStBl II 2014, 128), ist die nachträgliche Festsetzung einer Steuerschuld gegen den Leistenden nicht uneingeschränkt möglich. Eine Änderung nach § 164 AO scheitert dann an § 176 Abs. 2 AO.
3. Möglich ist dann aber gleichwohl eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG. Der gemäß § 176 AO zu gewährende Vertrauensschutz steht einer Änderung nach dieser Vorschrift nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG). Der Unternehmer wird auf die Abtretung eines ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Abtretungsanspruchs verwiesen (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG).
4. Die Änderung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG setzt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur voraus, dass Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.2.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein.
5. Der BFH legt § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG einschränkend dahingehend aus, dass sich aus der dort ausdrücklich genannten Voraussetzung eines Erstattungsverlangens des Leistungsempfängers auch ergibt, dass dem Leistenden gegen den Leistungsempfänger ein Anspruch auf Zahlung der zu erstattenden Steuer als Voraussetzung für die Änderungsbefugnis zusteht.
Eine Regelung, die das FA zu einer uneingeschränkten Änderungsbefugnis zulasten des Leistenden berechtigt und diesen dann erst im Erhebungsverfahren auf eine Abtretungsmöglichkeit verweist, genügt dem Grundsatz des Vertrauensschutzes jedenfalls dann nicht, wenn der Leistende bei der Ausführung seines Umsatzes in Übereinstimmung mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsanweisungen davon ausgehen konnte und musste, dass nicht er, sondern der Leistungsempfänger Steuerschuldner sei.
Der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes ist daher nur dann zu rechtfertigen, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheids, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Daher muss das FA nicht erst im Erhebungsverfahren bei einer Entscheidung über die Abtretung, sondern bereits im Festsetzungsverfahren bei der Prüfung der Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG feststellen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht. Der BFH betrachtet dabei die Vorschriften des § 27 Abs. 19 Sätze 1 bis 4 UStG als Regelungseinheit.
6. Der von § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG wie auch nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG erforderliche Nachforderungsanspruch ergibt sich aus § 313 BGB.
a) Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien...