Leitsatz
Versteuert der Unternehmer entgegen § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 und 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seine Umsätze nicht bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung, sondern erst für den der nachfolgenden Entgeltvereinnahmung, kann er die Rechtswidrigkeit der für den Besteuerungszeitraum der Entgeltvereinnahmung vorliegenden Steuerfestsetzung geltend machen, ohne dass dem ‐‐im Hinblick auf eine für den Besteuerungszeitraum der Leistungserbringung angenommene Festsetzungsverjährung‐‐ eine Analogie zu § 20 Satz 3 UStG entgegensteht.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 20 Satz 3 UStG, § 164 Abs. 2, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 174 Abs. 4, § 177 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die der Sollbesteuerung unterliegende Klägerin, eine GmbH, führte in ihrer Werkstatt Reparaturen an Fahrzeugen des Herstellers X durch, die X nach Ausführung der Reparatur im Rahmen von "Gewährleistungen" vergütete. Die Klägerin versteuerte dabei ihre Leistungen nicht bereits für den Voranmeldungszeitraum der Reparatur, sondern erst mit Erhalt der Vergütung von X. Zahlungsansprüche aufgrund bereits ausgeführter Reparaturen, die bis zum Jahresende von X noch nicht erfüllt worden waren, verbuchte die Klägerin auf einen Vergütungskonto, aus dem sich somit die Höhe der zwar erbrachten, aber noch nicht bezahlten und damit noch nicht versteuerten Leistungen ergab.
Zum Jahresende 2012 belief sich der Vergütungssaldo auf 32.000 EUR. Den sich hieraus ergebenden Steueranspruch erfasste U erst in den im Jahr 2013 abgegebenen Voranmeldungen mit jeweiliger Vereinnahmung. Zum Jahresende 2013 ergab sich ein Vergütungssaldo von 102.000 EUR, den U wiederum erst im Jahr 2014 versteuerte.
Das FA deckte die verspätete Besteuerung auf und änderte (im Ergebnis) die Bescheide 2013 bis 2015. Der Änderungsbescheid 2013 erfasste nunmehr auch den zum Jahresende 2013 bestehenden Vergütungssaldo von 102.000 EUR.
Die Klägerin beantragte, die Bemessungsgrundlage zur USt 2013 um den zum Jahresende 2012 bestehenden Vergütungssaldo von 32.000 EUR zu mindern, da diese Leistungen im Jahr 2012 zu versteuern seien. Da das FA für 2012 keine Änderungsmöglichkeit sah, lehnte es den Antrag ab. Einspruch und Klage zum FG (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 1.9.2022, 2 K 112/19, Haufe-Index XXXXXX) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und gab der Klage statt. Ob eine Folgeänderung für 2012 in Betracht kommt, ist, falls eine geänderte Steuerfestsetzung noch ergehen kann, in einem für dieses Jahr geführten Verfahren zu prüfen.
Hinweis
1. Unterliegt der Unternehmer der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. Buchst. a UStG, hat er seine Leistungen bereits für den Voranmeldungszeitraum (VZ) der Leistungserbringung, nicht aber erst für den späteren VZ der Entgeltvereinnahmung zu versteuern.
2. Verstößt der Unternehmer hiergegen, da er Leistungen nicht im Jahr der Leistungserbringung, sondern erst mit der nachfolgenden Entgeltvereinnahmung versteuert, ist die rechtswidrig verspätete Besteuerung entsprechend den Änderungsvorschriften der AOim Umfang des zum jeweiligen Jahresende bestehenden Vergütungssaldos, das sich aus den zu diesem Zeitpunkt bereits erbrachten aber noch nicht vergüteten Leistungen ergibt, zu berichtigen.
Hat der Unternehmer daher z. B. in den Jahren 02 bis 04 Entgelte zu spät, d. h. nicht im Jahr der Leistungserbringung, sondern erst im nachfolgenden Jahr der Entgeltvereinnahmung versteuert, ist dies dahin gehend zu korrigieren, dass in Bezug auf die in 03 erbrachten Leistungen, die erst in 04 versteuert wurden (Vergütungssaldo 03), die Steuer 04 zu mindern und die Steuer 03 zu erhöhen ist. Dementsprechend ist die Steuer 03 um die in 02 erbrachten, aber noch nicht vergüteten Leistungen (Vergütungssaldo 02) zu mindern und die Steuer 02 entsprechend zu erhöhen.
3. In der Praxis stellt sich die Frage, inwieweit in die Vergangenheit berichtigt werden kann. Der Besprechungsfall verdeutlicht dies. Hier kam es im Anschluss an eine Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015, die eine verspätete Besteuerung feststellte, nur zu einer Änderung für das Jahr 2015 in der Weise, dass die Bemessungsgrundlage für die in diesem Jahr erbrachten Leistungen, die aber erst im Folgejahr vergütet wurden, erhöht wurde. Die Änderung beschränkte sich daher auf den Vergütungssaldo 2015.
Aufgrund unterschiedlich hoher Beträge wollte die Klägerin dies so nicht akzeptieren und begehrte im Einspruchswege
- zur USt 2015 eine Minderung der Steuer in Bezug auf den Vergütungssaldo 2014 und
- zur USt 2014 eine Erhöhung der Steuer um das Vergütungssaldo 2014 und eine Minderung der Steuer in Bezug auf das Vergütungssaldo 2013.
Dem kam das FA nach, erließ aber auch einen auf § 174 AO gestützten Änderungsbescheid zur USt 2013, in dem es die Steuer um den Vergütungssaldo 2013 erhöhte. Hiergegen beantragte die Klägerin eine zusätzliche Minderung der USt 2013 um das Vergütungssaldo 2012. FA und FG lehnten dies in der Anna...