Leitsatz
Die vom Großen Senat des BFH im Beschluss vom 12.6.1978, GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) zur steuerrechtlichen Behandlung von Abbruchkosten getroffene Unterscheidung danach, ob das Gebäude in Abbruchabsicht oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, gilt nicht, wenn das später abgerissene Gebäude zuvor nicht zur Erzielung von Einkünften genutzt wurde; in diesem Fall stehen die durch den Abbruch des Gebäudes veranlassten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus und bilden Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG , § 10e Abs. 1, 6 EStG , § 21 EStG
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ließ sein selbst bewohntes Wohnhaus abreißen und errichtete u.a. eine teils selbst bewohnte, teils unentgeltlich überlassene und teils vermietete Doppelhaushälfte; die andere Doppelhaushälfte veräußerte er.
Das FG berücksichtigte die Abbruchkosten und den Restwert wie folgt: Anteilig als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG (betr. die selbst genutzte Wohnung), anteilig als Werbungskosten aus VuV (betr. die vermietete Wohnung). Den auf die unentgeltlich überlassene Wohnung und auf die veräußerte Hälfte entfallenden Anteil ließ es als steuerlich unbeachtlich nicht zum Abzug zu.
Entscheidung
Der BFH entschied, da die bisherige Nutzung des abgerissenen Hauses (zu eigenen Wohnzwecken) keinen Tatbestand einer Einkunftsart verwirklicht habe, ständen die Aufwendungen nicht in einem steuerlichen Zusammenhang mit der bisherigen Nutzung des Altgebäudes.
Es bestehe deshalb ausschließlich ein Zusammenhang mit dem Neubau, so dass Herstellungskosten des neuen Gebäudes vorlägen.
Der BFH verwies die Sache gleichwohl an das FG zurück, um festzustellen, ob ein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommt. Im Streitfall bestand nämlich die Besonderheit, dass das Haus wegen Senkungsschäden abgerissen werden musste.
Hinweis
Für die Behandlung der Gebäudeabbruchkosten ist grundsätzlich wie folgt zu unterscheiden:
- Bei Erwerb in Abbruchabsicht gehören Restbuchwert und Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des Neubaus. War das Gebäude wertlos, entfällt der volle Anschaffungspreis auf den Grund und Boden.
- Bei Erwerb ohne Abbruchabsicht ist der Restbuchwert als AfaA abzuschreiben und der Abbruchaufwand sofort absetzbar (BFH, Urteil vom 12.6.1978, GrS 1/77, BStBl II 1978, 620; H 33a EStH 2001 "Abbruchkosten").
Zu beachten ist dabei, dass diese Unterscheidung auf der bisherigen Nutzung des Gebäudes basiert: Nur wenn es betrieblich oder durch VuV genutzt wurde, darf sich der Abriss nicht auf die Herstellung des Neubaus auswirken. Denn der Abbruch steht dann in Zusammenhang mit der bisherigen Nutzung und hat mit dem Neubau nichts zu tun.
Daraus folgt: Wurde das Gebäude nicht innerhalb einer Einkunftsart genutzt, sind AfaA und Abbruchkosten nicht als sofort abziehbare Aufwendungen zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn das Gebäude nicht in Abbruchabsicht erworben wurde. Die Unterscheidung, ob das Gebäude mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, spielt dann keine Rolle. Es liegen stets Herstellungskosten des Neubaus vor.
Da die Selbstnutzung eines Gebäudes nach dem Auslaufen der Nutzungswertbesteuerung (§ 21 Abs. 2 a.F.) nicht (mehr) innerhalb einer Einkunftsart stattfindet, sind deshalb die Abbruchkosten eines selbst bewohnten Wohnhauses bei einem Neubau eines teils selbst bewohnten, teils fremd vermieteten Hauses weder als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG (als Parallele zu den Werbungskosten) bei der selbst genutzten Wohnung noch bei der vermieteten Wohnung als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.4.2002, IX R 50/00