Leitsatz
Beugt eine Maßnahme des Arbeitgebers einer spezifisch berufsbedingten Beeinträchtigung des Arbeitnehmers vor oder wirkt ihr entgegen, kann der dem Arbeitnehmer aus der Maßnahme erwachsende Vorteil im Einzelfall nicht als Arbeitslohn zu erfassen sein.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, ein in der EDV-Branche tätiges mittelständisches Unternehmen, hatte einen Masseur beauftragt, ihre Bildschirmarbeiter wegen deren Rücken- und Nackenschmerzen zu massieren. Der Masseur besuchte den Betrieb im Allgemeinen einmal in der Woche; die Dauer der Massage belief sich auf ca. 14 Minuten. Die Mitarbeiter machten von dem Angebot unterschiedlichen Gebrauch. Die Klägerin brachte insbesondere vor, die angebotenen Massagen hätten krankheitsbedingte, zu Lasten der Klägerin gehende Arbeitsausfälle und Fehlzeiten verhindern sollen.
Das FA unterwarf die Massagekosten als Arbeitslohn der Lohnsteuer. Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück. Das eigene Interesse der Arbeitnehmer an einer Erlangung des Vorteils könne sich als zu vernachlässigende notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, falls diese gewichtig sind und das zu ihrer Erreichung eingesetzte Mittel besonders geeignet ist. Im Streitfall komme es entscheidend darauf an, wie häufig bei den ganztags an Bildschirmplätzen tätigen Arbeitnehmern mit körperlichen, die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Beschwerden sowie Fehlzeiten infolge der Arbeitsbedingungen zu rechnen sei. Ferner sei entscheidend, ob die verabreichten Massagen besonders dazu geeignet gewesen seien, möglichen Beschwerden – vorbeugend – entgegenzuwirken und ggf. krankheitsbedingte Arbeitsausfälle zu verhindern.
Das FG werde diese Feststellungen – z.B. durch die Einholung von Auskünften des medizinischen Dienstes einer Krankenkasse bzw. Berufsgenossenschaft oder durch das Gutachten eines Sachverständigen – nachzuholen haben.
Hinweis
Im Besprechungsfall führt der VI. Senat seine Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Vorteilen, die für eine Beschäftigung gewährt werden (Arbeitslohn) und solchen, die keinen Entlohnungscharakter haben, fort. Zuletzt in seinem Urteil vom 25.5.2000, VI R 195/98, BStBl II 2000, 690 (Werkstattwagen) hatte der BFH hervorgehoben, dass es nach objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls darauf ankommt, ob sich ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellt.
Dienen Maßnahmen des Arbeitgebers der allgemeinen körperlichen Ertüchtigung und Verbesserung des Gesundheitszustands seiner Arbeitnehmer liegt regelmäßig Arbeitslohn vor (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.9.1996, VI R 44/96, BStBl II 1997, 146: Überlassung von Tennis- und Squashplätzen). Anders ist dies offenkundig, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren, die mit der Beschäftigung verbunden sind, z.B. eine Schutzkleidung, zur Verfügung stellt.
Die im Besprechungsfall angebotene Maßnahme des Arbeitgebers bewegte sich im Zwischenbereich, und zwar im Rahmen der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge. Die Verabreichung der Massagen an die Mitarbeiter war (noch) nicht medizinisch indiziert; die Krankenversicherung hatte die Kosten auch nicht übernommen. Gleichwohl können in diesem Bereich arbeitgeberische Maßnahmen vorliegen, die nicht unbedingt einen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers darstellen müssen.
In diesem Zusammenhang kommen zwei Abgrenzungskriterien besondere Bedeutung zu: nämlich der Gewichtigkeit der vom Arbeitgeber verfolgten betriebsfunktionalen Zielsetzungen und der besonderen Eignung des dazu eingesetzten Mittels. Demnach führen Maßnahmen des Arbeitgebers im Bereich der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge dann nicht zu Arbeitslohn, wenn – zum einen – eine spezifisch berufsbedingte Beeinträchtigung der Gesundheit der Arbeitnehmer vorliegt, denen – zum anderen – der Arbeitgeber in besonderer Weise entgegenwirkt.
Ob sich die Zielsetzung des Arbeitgebers (hier: u.a. Vermeidung von Fehltagen hochbezahlter Spezialisten) als gewichtig genug und das zu ihrer Erreichung eingesetzte Mittel (hier: Massagen) als besonders geeignet erweist, ist dann letztlich eine Tatfrage. Es ist deshalb zu empfehlen, für eine entsprechende Beweisvorsorge zu sorgen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.5.2001, VI R 177/99