Rainer Jung, Dr. Andreas Suter
Prozessorientierung für beanspruchungsgerechte Verrechnung der Gemeinkosten
Ein Ansatz, um für mehr Transparenz im Tagesgeschäft zu sorgen, ist die Prozesskostenrechnung oder genauer: die prozessorientierte Kostenrechnung. Diese versucht, auch die Aufwände der indirekten Bereiche nach dem Beanspruchungs- bzw. dem weiten Verursachungsprinzip zu verrechnen. Dazu bedient sie sich der klassischen Perspektiven der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, wobei nach wie vor die Einzelkosten den Kostenträgern direkt zuzuordnen sind und die Gemeinkosten über die Kostenstellenrechnung auf die Kostenträger verrechnet werden. Allerdings werden die Gemeinkosten von einer stellenorientierten in eine prozessorientierte Aufteilung überführt, sodass die (üblichen) Kostenstellen als Orte der Kostenverursachung in den Hintergrund treten. Die Verrechnung der Gemeinkosten erfolgt nicht mehr anhand einer Schlüsselungsgröße proportional auf die Kostenträger, sondern sie werden anhand der tatsächlich in Anspruch genommenen Ressourcen auf die Prozesse verteilt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um variable oder fixe Kosten handelt.
Integration von Prozess- und Kostensicht
Aus diesen Überlegungen ergeben sich eindeutige Entsprechungen zwischen Prozess- und Kostensicht (vgl. Abb. 2). Denn die innerhalb eines Prozesses in Anspruch genommenen Ressourcen entsprechen den jeweiligen Kostenarten, z. B. Personalkosten, Wartungs- und Betriebsmittelkosten, Zinsen etc. Diese werden auf die Kostenstellen verteilt, welche der Struktur der (Teil-)Prozesse folgen. Kostenträger innerhalb der (Teil-)Prozesse ist das Prozessobjekt bzw. der Prozessauftrag (Prozessinput), mit dem der jeweilige Prozess beauftragt wurde. Mit diesen Entsprechungen lässt sich das Instrumentarium der (klassischen) Kosten- und Leistungsrechnung auch in der prozessorientierten Kostenrechnung nutzen.
Abb. 2: Abbildung der Prozesssicht in der Kostensicht
3.1 Blackbox als Basis für die prozessorientierte Kostenrechnung
Prozessorientierte Rollen und Verantwortlichkeiten
Für eine einfache Implementierung dieser Entsprechungen sind klare und vor allem prozessorientierte Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation sowie strukturierte und transparente Geschäftsprozesse Voraussetzung. Ein bestmöglicher Ansatz, diese Voraussetzungen zu schaffen, ist der Blackbox-Ansatz. Dieser (1) definiert eine einzige Blackbox "Unternehmen" zwischen den Kunden und den Lieferanten und (2) zerlegt diese in mehrere kleine modulare Blackboxen, welche (3) sowohl einen durchgehenden Geschäftsprozess als auch eine Organisationseinheit mit einer klaren Rolle im Wertschöpfungssystem und den damit eingebundenen Ressourcen repräsentieren.
Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen
Die Schnittstellen zwischen den Blackboxen sind eindeutig und basieren auf einfachen Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen – genauso wie jene zu den Kunden bzw. Lieferanten des Unternehmens. Die Rolle als Auftraggeber oder Auftragnehmer bezeichnen spezifische Aufgaben, welche die Schnittstelle betreffen, zumal auch der Auftragnehmer die Rolle eines Auftraggebers übernehmen kann (vgl. Abb. 3). Die Rollenklärung bezieht sich zunächst auf die Festlegung von Zuständigkeiten und Aufgaben (i. S. v. Output), Randbedingungen, Mengengerüste und davon abgeleitete Ressourcen, wie z. B. Personal, Betriebsmittel, Anlagen, Infrastruktur, Standorte. Zudem wird die erwartete Performance wie beispielsweise Reaktionszeiten, Produktivitätsanforderungen oder Servicegrad festgelegt.
Abb. 3: Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zwischen den Blackboxen
Geschäftsmodell mit spezifischen Prozesskaskaden
Im Falle des Maschinenbauers wurden 4 horizontale Prozesskaskaden für das Tagesgeschäft definiert (vgl. Abb. 4). Jeder Prozesskaskade ist eine klare Rolle in der Leistungserstellung mit eindeutigen Verantwortlichkeiten zugeordnet.
- Die 1. Prozesskaskade ist für die Kundenbetreuung vom Erstkontakt bis zur Sicherstellung der langfristigen Kundenzufriedenheit (Marge, Marktanteil, Market Development) verantwortlich.
- Die 2. Prozesskaskade ist für die technische Machbarkeit der Lösung (technischer Fit) sowie für die Installation bis zur langfristigen Gewährleistung der Funktion verantwortlich.
- Bei der 3. Prozesskaskade wurde den unterschiedlichen Geschäftsfällen Rechnung getragen, indem 2 Prozesssegmente ausgeprägt wurden. Während die "Auftragsabwicklung" lediglich angesprochen wird, wenn es sich um Katalogprodukte handelt, wird der "Lösungslieferant" adressiert, wenn Sonderlösungen zu spezifizieren sind. Letztere zeichnet also für die Erstellung der Baureihen- und Auftragskonstruktion sowie die Variantenumsetzung verantwortlich.
- Die 4. Prozesskaskade ist für die Beschaffung und die termingerechte Erstellung der beauftragten Produkte verantwortlich. Beauftragt wird sie durch die beiden Prozesssegmente auf Ebene 3.
Die Kommunikation zwischen den Prozesskaskaden ist auf einfache Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen – exemplarisch dargestellt durch die Pfeile zwischen den Kaskaden – reduziert.
Abb. 4: Geschäftsm...