Leitsatz
Das Hauptzollamt trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der Massezugehörigkeit, wenn es gegen einen Insolvenzverwalter Kraftfahrzeugsteuer für ein auf den Insolvenzschuldner zugelassenes Fahrzeug festsetzt.
Normenkette
§ 35 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 1a, § 148 Abs. 1 InsO, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG, § 34 Abs. 1 und 3, § 88 AO, § 32 Abs. 2 Nr. 2, § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 35 Abs. 1 Nr. 15, § 36b StVG, § 76 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 96 FGO, § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH (Insolvenzschuldnerin). Diese betrieb einen Einzelhandel mit und eine Vermietung von Pkw. Das Hauptzollamt setzte gegenüber dem Kläger ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens KraftSt für die Kfz fest, die zu diesem Zeitpunkt auf die A-GmbH als Halterin zugelassen waren. Der Kläger trage die Feststellungslast dafür, dass die Kfz nicht zur Insolvenzmasse gehörten. Entsprechende Nachweise habe er nicht erbracht. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, die Kfz befänden sich nicht in seinem Besitz und er habe auch keine Kenntnis über die Eigentumsverhältnisse, blieben erfolglos. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.6.2021, 8 K 8013/20, Haufe-Index 14688729, EFG 2021, 1848) wies die Klage ab. Zwar habe das Hauptzollamt keine Ermittlungen zum Sachverhalt angestellt und sich allein auf die Zulassung und die Haltereigenschaft berufen, obwohl das Hauptzollamt grundsätzlich die Feststellungslast für steuererhöhende Tatsachen trage. Allerdings hätte es wegen der Beweisnähe des Klägers allein diesem oblegen, zureichende Anhaltspunkte gegen eine Masseeigenschaft vorzutragen. Dem sei der Kläger jedoch nicht nachgekommen.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe eine Entscheidung nach der Feststellungslast zulasten des Klägers getroffen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Zwar sei das FG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Hauptzollamt die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO trage. Rechtlich unzutreffend habe es jedoch angenommen, dass der Kläger aufgrund seiner Beweisnähe die Nichtzugehörigkeit der Kfz zur Insolvenzmasse nachweisen müsse und dass ihm dieser Nachweis nicht gelungen sei. Eine abweichende Verteilung der Feststellungslast folge im Streitfall jedoch weder aus einer besonderen Beweisnähe des Klägers noch aus dessen steuerlichen und insolvenzrechtlichen Pflichten bzw. aus einer etwaigen Verletzung dieser Pflichten. Denn in diesen Fällen bliebe die Verteilung der Feststellungslast grundsätzlich unberührt; das FG hätte lediglich zu erwägen, ob im konkreten Einzelfall das für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche, aber auch ausreichende Beweismaß gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren wäre. Auch die Haltereigenschaft der Insolvenzschuldnerin begründe keine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass ihr die auf sie zugelassenen Kfz gehörten und diese damit Teil der Insolvenzmasse seien. Denn die Haltereigenschaft besage schon nichts über die Eigentumsverhältnisse an einem Kfz.
Hinweis
1. Zu den Masseverbindlichkeiten gehören gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO u.a. die Verbindlichkeiten, die "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Das setzt einen Bezug zur Insolvenzmasse voraus.
2. Die nach Insolvenzeröffnung entstandene KraftSt weist nur dann in diesem Sinn einen Bezug zur Insolvenzmasse auf, wenn das Fahrzeug, für dessen Halten die KraftSt geschuldet wird, Teil der Insolvenzmasse ist und der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. Nur dann kann der Insolvenzverwalter über die Art und Weise der Verwendung oder Verwertung des Fahrzeugs bestimmen und ggf. verhindern, dass weiterhin KraftSt entsteht, indem er das Fahrzeug veräußert oder außer Betrieb setzt und der Zulassungsbehörde dies anzeigt. Maßgebend ist danach, ob das Fahrzeug (tatsächlich/körperlich) Teil der Insolvenzmasse ist.
3. Allein aus der Haltereigenschaft für ein Fahrzeug entsteht kein Bezug der KraftSt zur Insolvenzmasse.
4. Die Feststellungslast für den erforderlichen Bezug einer KraftSt-Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse trägt grundsätzlich das Hauptzollamt.
5. Die Regeln über die Feststellungslast sind allerdings erst anwendbar, wenn alle anderen Möglichkeiten der Beweisführung innerhalb der Untersuchungspflicht des FG ausgeschöpft sind.
6. Verletzt ein Beteiligter die ihm zumutbare Mitwirkung an der Sachaufklärung, können sich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde und des FG sowie das Beweismaß mindern. Zu Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast kann es führen, wenn ein Prozessbeteiligter einen Gegenstand vernichtet oder vernichten lässt, obwohl für ihn erkennbar ist, dass jene...