Leitsatz
1. Dem in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 und in § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelten Ver-langen, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall formalisiert nachzuweisen, ist nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auch im Veranlagungszeitraum 2009 Rechnung zu tragen. Dies begegnet keinen verfassungsrechtli-chen Bedenken (Bestätigung des Senatsurteils vom 19. April 2012, VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).
2. Die zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 1, Abs. 3 EStG ist auch bei Krankheitskosten verfassungsgemäß. Das sozialhilferechtliche Leistungsniveau umfasst keine zuzahlungsfreie Krankenversorgung (Bestätigung des Senatsurteils vom 2. September 2015, VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).
3. Beerdigungskosten können als außergewöhnliche Belastung nur abgezogen werden, soweit sie nicht aus dem Nachlass oder durch sonstige im Zusammenhang mit dem Tod zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind.
Normenkette
§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 36 EStG, § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011, § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. e, Buchst. f, § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011, § 1360, § 1360a Abs. 1, Abs. 2, § 1360b, § 1968 BGB, § 74, § 118 Abs. 2, § 120 Abs. 3 Nrn. 1, 2 Buchst. a, § 126a FGO, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 GG, § 62, § 275 SGB V
Sachverhalt
Der Kläger wurde für das Streitjahr (2009) mit seiner im Streitjahr verstorbenen Ehefrau (E) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. E war in einer gesetzlichen Krankenkasse krankenversichert. Im fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung begab sie sich in die K‐Klinik. Die K‐Klinik war keine Vertragsklinik ihrer gesetzlichen Krankenkasse. Gleichwohl übernahm die Krankenkasse der E 50 % der Kosten der stationären Behandlung. An den Aufwendungen für eine (Fern)Reiki-Behandlung beteiligte sich die Krankenkasse jedoch nicht. E verfügte an ihrem Todestag über (Bau)Sparkassenguthaben i.H.v. ca. 20.000 EUR. Der Kläger zahlte im Streitjahr Bestattungskosten für die Beerdigung der E i.H.v. ca. 6.000 EUR.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Krankheitskosten und die vorgenannten Bestattungskosten, als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Mit der Einspruchsentscheidung erkannte das FA nach einem Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung die geltend gemachten Krankheitskosten, darunter die Aufwendungen in Zusammenhang mit dem Aufenthalt der E in der K‐Klinik, weitgehend als außergewöhnliche Belastungen an. Unberücksichtigt blieben die Aufwendungen für die (Fern)Reiki-Behandlungen, für ein Paar Schuhe, für verschiedene Medikamente und Präparate sowie weitere Aufwendungen, bei denen der Leistungsgegenstand nicht erkennbar war. Die Bestattungskosten erkannte das FA nicht als außergewöhnliche Belastungen an.
Das FG wies die Klage – im ersten Rechtsgang – im Wesentlichen ab. Während des anschließenden Revisionsverfahrens, das bei dem beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen VI R 71/13 anhängig war, erließ das FA einen Änderungsbescheid, mit dem es die bisher berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen herabsetzte. Denn die Krankenkasse der E erstattete dem Kläger im Jahr 2013 die im Jahr 2009 selbst getragenen Kosten der stationären Krankenhausbehandlung der E. Danach ergab sich nach Abzug der zumutbaren Belastung keine Steuerminderung wegen außergewöhnlicher Belastungen mehr.
Der erkennende Senat hob aufgrund des vorgenannten Änderungsbescheids das Urteil des FG auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 9.3.2016, 1 K 991/15) wies die Klage im zweiten Rechtsgang erneut überwiegend ab.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach ständiger Rechtsprechung erwachsen dem Steuerpflichtigen Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet. Auch Aufwendungen, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung mangelt, können – vorbehaltlich der Nachweisanforderungen des § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 – zu den zwangsläufigen Krankheitskosten zählen, wenn der Steuerpflichtige an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung leidet, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht (BFH, Urteil vom 2.9.2010, VI R 11/09, BFH/NV 2011, 125, BFH/PR 2011, 46).
a) Die Zwangsläufigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§ 2, § 23, § 31 bis § 33 SGB V) hat der ...