Leitsatz
Eine vom Anleger anlässlich der Vermittlung eines komplexen und beratungsintensiven Kombinationsprodukts (hier: "Kombi-Rente", bestehend aus einer sofort beginnenden Leibrente gegen Einmalbeitrag, einem langfristigen Darlehen, einer Kapitalanlage in Investmentfondsanteilen und einer Risiko-Lebensversicherung) an den Vermittler zu zahlende Provision kann von den Vertragsparteien im Regelfall nicht mit steuerlicher Wirkung ausschließlich der Vermittlung des Darlehens zugeordnet werden.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG , § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG
Sachverhalt
Die Kläger (Eheleute) schlossen durch Vermittlung des Konzeptentwicklers und -anbieters (X) diverse Verträge über eine "Kombi-Rente". Sie zahlten einen Einmalbeitrag i.H.v. 285.000 DM zur Erlangung einer sofort beginnenden Leibrente. Diesen Betrag bestritten sie aus einem zuvor aufgenommenen Bankdarlehen, das nach 15 Jahren in einer Summe zurückzuzahlen war. Ferner investierten sie 100.000 DM in einen Investmentfonds, aus dessen Mitteln das Darlehen zurückgezahlt werden sollte. Schließlich schlossen sie eine Risiko-Lebensversicherung ab. Die Ansprüche aus der Leibrentenversicherung, dem Investmentfonds und der Risiko-Lebensversicherung traten sie zur Sicherung des Darlehens an die Bank ab.
Die Kläger zahlten an X einen als "Kreditvermittlungsprovision" bezeichneten Betrag i.H.v. 6 % der Darlehenssumme, welchen sie in voller Höhe als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus der Leibrente geltend machten. Das Finanzamt erkannte lediglich 2 % dieser Provision als Werbungskosten an.
Das FG ließ demgegenüber den vollen Betrag von 6 % zum Werbungskostenabzug zu (vgl. EFG 2003, 510). Die Revision des FA hatte Erfolg; der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht könne die an X gezahlte Provision i.H.v. 6 % der Darlehenssumme nicht allein den (als Werbungskosten abziehbaren) Kreditvermittlungskosten zugeordnet werden. Vielmehr stelle ein wesentlicher Teil der Provision ein Entgelt für den Zugang zu dem vom Konzeptanbieter X mit hohem intellektuellem und finanziellem Aufwand entwickelten – steueroptimierten – Anlagemodell dar.
Das FG habe im zweiten Rechtsgang den als Kreditvermittlungskosten abziehbaren Teil der Provision – ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen – zu schätzen. Die Finanzverwaltung begrenze in derartigen Modellen – in Anlehnung an die entsprechende Behandlung bei Bauherrenmodellen und geschlossenen Immobilienfonds – den Abzug der Kreditvermittlungskosten auf 2 % der Darlehenssumme (vgl. z.B. OFD Kiel, Verfügung vom 4.10.2000, FR 2001, 323, unter III.2.2.e). Für die Schlüssigkeit einer solchen Begrenzung spreche der Umstand, dass dem Senat keine Fälle bekannt geworden seien, in denen – außerhalb steuerorientierter Teilmärkte – für die Vermittlung von Krediten an solvente Darlehensnehmer Provisionen von mehr als 2 % der Darlehenssumme erhoben würden.
Hinweis
Im Streitfall war die Frage zu beantworten, ob die von den Vertragspartnern des "Kombi-Renten-Modells" vorgenommene steuergünstige Zuordnung des Entgelts für eine Mehrheit von Leistungen für Zwecke der Einkommensbesteuerung akzeptiert werden konnte. Der BFH weist im Besprechungsurteil zutreffend darauf hin, dass eine steuerrechtliche Korrektur dieser Zuordnung dann erforderlich sei, wenn es an einem auf die Aufteilung bezogenen Interessengegensatz der Vertragsparteien fehle und die von ihnen vorgenommene Aufteilung die realen Wertverhältnisse verfehle (vgl. z.B. – betreffend die Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für mehrere Wirtschaftsgüter – BFH, Urteil vom 16.6.1971, IV R 84/70, BStBl II 1972, 451). Denn es steht den Vertragsparteien nicht zu, ihre Vertragsverhältnisse zulasten des Steuergläubigers zu gestalten (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 20.11. 2002, X B 6/02, BFH/NV 2003, 318).
Nach diesen Grundsätzen war es nicht anzuerkennen, dass die Vertragspartner die an den Konzeptanbieter gezahlte Provision entgegen den wirtschaftlichen Realitäten im gesamtem Umfang den (sofort als Werbungskosten abziehbaren) Kreditvermittlungskosten zuordneten, wohingegen der Zugang des Anlegers zu dem vom Konzeptanbieter und Vermittler mit großem intellektuellen und finanziellen Aufwand entwickelten, durch die steueroptimierte Verzahnung verschiedener aufeinander bezogener Verträge gekennzeichneten Anlagemodell nicht entgolten werden sollte.
Angesichts der Solvenz der Anleger und im Hinblick auf die dreifache Absicherung der Kredit gewährenden Bank, welcher nicht nur die Ansprüche aus der Rentenversicherung, sondern auch die Rechte aus dem Investmentfonds und aus der von den Anlegern abgeschlossenen Risiko-Lebensversicherung abgetreten wurden, erschien es wenig plausibel, dass das angemessene Entgelt für die Kreditvermittlungsleistung des Konzeptanbieters höher als die vom Finanzamt bereits anerkannten 2 % der Darlehenssumme liegen sollte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.9.2004, X R 19/03