Den Gegenpol zu den Debitoren bilden die Kreditoren, die dem Unternehmen Güter und Leistungen verkaufen. Kriege, politische Sanktionen oder Naturkatastrophen können auch hier die Waren- und Zahlungsströme empfindlich stören.

Das betrifft die Buchhaltung primär in der Handhabung

  • der offenen Verbindlichkeiten oder
  • von geleisteten Anzahlung oder
  • von Vorkassen.

Der Einkauf ist zuständig, wenn durch die Krisen Lieferquellen ausfallen, involviert die Buchhaltung allerdings bei der wirtschaftlichen Einschätzung neuer Lieferanten und der Realisierung neuer Zahlungskonditionen. Nicht zuletzt spielt die Liefersituation für wichtige Rohstoffe, Bauteile oder Waren auch eine Rolle bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Unternehmens.

3.1 Zeichen einer Krise: Lieferverzögerungen und kürzere Zahlungsfristen

Entstehende Krisen wirken sich manchmal frühzeitig auf die Leistungsfähigkeit der in der Region angesiedelten Unternehmen aus. Diese liefern nicht pünktlich, nicht mit der gewohnten Qualität oder nur noch eingeschränkt. Das fällt im Einkauf auf. In der Buchhaltung sollten sich mehrende Wünsche auf frühzeitige Bezahlung von Verbindlichkeiten kritisch beobachtet werden. Diese können Zeichen für eine sich entwickelnde Krise sein. Auch die Veränderung von Zahlungsvereinbarungen zum Nachteil des Unternehmens, also z. B. die Umstellung von Rechnung mit 30 Tagen netto auf Vorauskasse, deuten auf bedrohliche Entwicklungen hin. Für eine erste Prüfung sollten wichtige oder mehrere Lieferanten betroffen sein.

3.2 Offene Verbindlichkeiten: Bei Zahlungen in Krisengebiete ist rechtlicher Rat empfehlenswert

Wenn Lieferanten in einem Krisengebiet angesiedelt sind, kann die Bezahlung offener Verbindlichkeiten an diesen Kreditor problematisch werden. Festzuhalten ist, dass die Verbindlichkeiten beglichen werden müssen, wenn alle Voraussetzungen dafür vorhanden sind. Ein Abwarten mit der Hoffnung, dass die Verbindlichkeit nicht eingefordert wird, ist weder rechtlich noch moralisch akzeptabel. Verschiedene Entwicklungen können die Zahlung erschweren oder unmöglich machen:

  • Der Kreditor kann durch die Krise untergegangen sein. Ist dies sicher bekannt, sollte die Buchhaltung mit der Zahlung warten, bis sich Erben, Nachlassverwalter oder Rechtsnachfolger melden und ihren Anspruch rechtssicher nachweisen können.
  • Der Kreditor kann durch politische Sanktionen betroffen sein und auf einer Sanktionsliste stehen. Dann sind i. d. R. auch Zahlungen an den Kreditor verboten. Sind Privatpersonen sanktioniert, überträgt sich das auf deren Unternehmen. Eine Prüfung auf Sanktionen kann im Internet z. B. auf der Seite "Justizportal des Bundes und der Länder"[1] oder auf andern Seiten der EU- oder Bundesbehörden erfolgen. Dafür ist ein gewisser Aufwand notwendig.
  • Die Politik kann, wie zuletzt im Ukrainekrieg, das Zahlungssystem eines Staates vom Zahlungsstrom abkoppeln. Dann ist vielleicht die Zahlung an den bestimmten Kreditor erlaubt, aber technisch nicht möglich. Eine Umgehung der üblichen Zahlungswege sollte rechtlich geprüft werden.

Wird eine Zahlung an einen Kreditor im Krisengebiet durchgeführt, muss sicher sein, dass dies befreiend ist. Dazu ist eine rechtliche Prüfung notwendig, die bei zu großer Unsicherheit auch von externen Anwälten erledigt wird.

 
Praxis-Tipp

Gewährleistungsbetrag mit Lieferant in Krisengebiet vereinbaren

In Krisensituationen ist oft klar, dass der Kreditor nicht in der Lage sein wird, in absehbarer Zeit weitere Leistungen zu erbringen. Das schließt Ersatzlieferungen bei Fehlern in der Ware ein. Daher kann mit dem Lieferanten ein Betrag, der sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit errechnen lässt, vereinbart werden, der als Sicherheit für etwaige Gewährleistungen einbehalten wird. Ist die Gewährleistungsfrist abgelaufen, wird der verbleibende Betrag gezahlt.

Werden offene Verbindlichkeiten nicht gezahlt, hat das zunächst keinen Einfluss auf den Gewinn des Unternehmens. Die Verbindlichkeiten bleiben als solche in der Bilanz. Die Liquidität des Unternehmens wird positiv beeinflusst, da die Beträge das Unternehmen nicht verlassen. Da sich diese Situation schnell ändern kann, darf keine langfristige Finanzierung auf die einbehaltenen Verbindlichkeiten aufbauen.

Der Ablauf der Arbeiten in der Kreditorenbuchhaltung im Krisenfall kann in vier Schritte gegliedert werden:

  1. Feststellen der betroffenen Verbindlichkeiten

    Die betroffenen Kreditoren werden mithilfe des Einkaufs identifiziert. Die gegenüber diesen vorhandenen offenen Verbindlichkeiten werden festgestellt.

  2. Prüfen von Zahlungshindernissen

    Für jeden Kreditor mit offenen Verbindlichkeiten wird geprüft, ob es eines der beschriebenen Zahlungshindernisse gibt. Die Prüfung wird mit dem Ergebnis dokumentiert.

  3. Zahlen, wenn möglich

    Gibt es keine unüberwindbaren Zahlungswege, werden die Verbindlichkeiten durch die Buchhaltung gezahlt. Wird über unübliche Wege gezahlt, wird die befreiende Vereinbarung mit dem Kreditor dokumentiert.

  4. Behandlung weiterhin offener Verbindlichkeiten

    Die nicht gezahlten Verbindlichkeiten werden auf eigenen Buchhaltungskonten festgehalten. Die Gründe für die Nichtzahlung werden dokumentiert. Es gibt eine regelmäßige Prüf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?